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Von leichter Körperverletzung bis zum Tod?

An dieser Stelle möchte ich kurz auf schwerere Folgen als die leichte KV bei sadomasochistischer Handlungen eingehen.

Einige Praktiken können zu schweren KV, ja bis zur Verstümmelung oder sogar bis zum Tod führen, müssen dies aber nicht. Grundsätzlich sollte unterschieden werden zwischen den Handlungen, die eine leichte KV verursachen können und solchen, deren Stimulus zB in der Amputation eines Körpergliedes oder im "beinahe" Ersticken (was auch schief gehen kann) etc liegen.

Bei allen eine leichte KV übersteigenden Delikten muß nicht nur geprüft werden, was zwischen den Partnern eines "Spiels" besteht, sondern auch sogenannte Außenwirkungen. Bei der Amputation kommt es nicht nur zur Schädigung des Amputierten, sondern auch zur Beeinträchtigung anderer Lebensbereiche. Es ist nicht mehr rechtens, wenn aufgrund einer solchen Praktik ein Mensch zB nicht mehr arbeitsfähig ist und somit von den restlichen Bürgern in Form von Invaliditätsunterstützung, Frühpension, die wir im Grunde ja alle bezahlen müssen, medizinische Versorgung und weiters Rehabilitationsmaßnahmen, die auch aus dem allgemeinen "Steuertopf" bezahlt oder ähnlichem unterstützt werden muß, wenn also der Verletzte in seinen sozialen Aufgaben beeinträchtigt wird (Gedanke der Sozialwidrigkeit).

Das bedeutet im Zusammenhang mit der Einwilligung betrachtet grundsätzlich: Verletzungen und konsequenterweise auch Gefährdungen sind im Einwilligungsfall dann bereits per se als nicht sittenwidrig zu bewerten und somit nicht zu bestrafen, wenn sie die soziale Leistungsfähigkeit des Verletzten nicht oder nur ganz unwesentlich beeinträchtigen. Reicht die Schwere bzw der Grad der Verletzung oder Gefährdung über das bezeichnete Maß hinaus, so ist zusätzlich noch auf den positiv zu bewertenden Zweck abzustellen.2.29 Dazu muß noch kurz erwähnt werden, daß oben Erwähntes auch anzuwenden ist, wenn es sich um einen ganz gezielten gesetzwidrigen Zweck handelt, wobei die Strafbarkeit wegen anderer verwirklichter Delikte dadurch unberührt bleibt. Es muß aber darüber hinaus auch auf die Art bzw die Art des hiervon betroffenen Körperteils der Verletzung abgestellt werden, ob die Möglichkeit der Entschuldbarkeit einer solchen Tat besteht oder nicht.

§ 84 StGB:
Bei "an sich schweren KV bzw Gesundheitsschädigung" muß der Vorsatz zB besonders starke Schmerzen, eine lange (etwa 24 Stunden) dauernde Gesundheitsschädigung, Knochenbrüche, erhebliche Gewaltanwendung etc umfassen. Hier spielt auch der Gedanke Sozialwidrigkeit und die Schwere der Tat eine Rolle. Es ist unbestritten, daß das Ausmaß einer schweren KV iS des § 84 StGB für sich genommen als sittenwidrig zu beurteilen ist. Die Einwilligung als Rechtfertigungsgrund ist nur dann möglich, wenn das Geschehen, aus dem die Erfolge bestehen, einem rechtlich positive zu bewertenden Zweck dient2.30 (zB Organspende).
§ 85 StGB:
Das oben gesagte gilt auch für KV mit schweren Dauerfolgen iS des § 85 StGB. Die schweren Dauerfolgen müssen zumindest fahrlässig herbeigeführt worden sein. Vorwerfbar ist hier hauptsächlich die Sorgfaltswidrigkeit, die Schwere und Art der Verletzung, wenn sie den Zweck der Verletzung betrachtend nicht aus der Sicht der Rechtsgemeinschaft noch als angemessen erscheint.
§ 86 StGB:
Wenn die Verletzung vorsätzlich begangen wird, aber aus Fahrlässigkeit der Tod eintritt, handelt der Täter im Sinne dieser Strafbestimmung. Auch hier spielt der Gedanke der Sozialwidrigkeit mit hinein. Ob in diesem Zusammenhang eine Bewertung des positiven Zwecks noch zielführend und vorzunehmen ist, beantwortet sich im Zusammenhang mit der Frage der Sozialwidrigkeit von allein.
§ 87 StGB:
Die schwere Körperverletzung bzw Gesundheitsschädigung muß absichtlich herbeigeführt werden. Hier zielt man auf die KV bzw Gesundheitsschädigung mit Wollen der Folgen ab. Es wird darüber hinaus kein anderer Tatzweck, der sich rechtfertigen ließe verfolgt.
§ 75 StGB:
Mord - Sozialwidrigkeit und Schwere der Tat. Für diese Straftat gibt es keine Rechtfertigungsgründe!

Diese kurze Auflistung einiger Strafbestimmungen soll nur aufzeigen, daß sehr wohl zu unterscheiden ist, ob es sich um eine leichte und somit nicht strafrechtlich relevante oder eine schwerere KV bzw andere Folgen handelt. Es darf nicht nur auf das abgestellt werden, was die Partner bei einer einverständlichen sadomasochistischen Handlung wollen - manche wollen ja, daß ihnen der Finger amputiert wird-, es muß auch noch auf andere Umstände Rücksicht genommen werden. Es soll ja kein "Freibrief" für grenzenloses Ausleben der Wünsche einer Minderheit ausgestellt werden! Somit ist zu sagen, daß lediglich auf die tatsächliche körperliche Auswirkung Bedacht genommen werden muß und nur diese für ein allfälliges Urteil maßgebend sein kann.

Um aber nunmehr nicht jede - auch die noch so kleinste - KV sofort als strafbare Handlung im Sinne des österreichischen Gesetzgebers zu qualifizieren, welche ja aufgrund der Offizialmaxime auch von diesem und nicht vom Verletzten verfolgt wird, kann auf den § 90 Abs 1 StGB zurückgegriffen werden.


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2000-10-19