Dieser Text beruht auf dem gleichnamigen Kapitel aus Die Wahl der Qual, das für Datenschlag überarbeitet, erweitert und um einige Untersuchungen ergänzt wurde. Die Auswahl beschränkt sich nicht auf Texte, die sadomasochistische Interessen in günstigem Licht erscheinen lassen, sondern umfasst alle empirischen Untersuchungen, die wir zu diesem Thema finden konnten. Sollten wir eine Studie übersehen haben, sind wir für Hinweise an kathrin@daten-schlag.org dankbar.
Die Zahl der Studien zum Sadomasochismus ist insgesamt recht überschaubar, wenngleich in den letzten Jahren ein vermehrtes Interesse der Wissenschaft an BDSM-Fragebogenuntersuchungen zu erkennen ist - sicher auch Folge der gewachsenen Auskunftsbereitschaft und Offenheit der Subkultur. Vielleicht sind dies ja die Anfänge einer seriösen Subkulturforschung, die das Rätselraten und das oft von persönlichen Moralvorstellungen geprägte Theoretisieren der älteren Literatur ersetzen könnte.
Natürlich sind diese Angaben nur Ausschnitte der jeweiligen Studien, die wiederum je nach Erhebungsverfahren unterschiedlich zuverlässig ausfallen. Doch obwohl einzelne Aussagen der verschiedenen Studien widersprüchlich sind (wenn es etwa um den Frauenanteil geht), sind die Studien doch zumindest in einem Punkt sehr aussagekräftig: Sadomasochistische Vorlieben sind alles andere als selten.
Version vom 14. April 2003
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1929
Der Arzt und Psychologe Gilbert Van Tassel Hamilton befragt 100 Männer und 100 Frauen zu ihren ehelichen Gewohnheiten. 51% der Männer und 32% der Frauen haben schon einmal einen "angenehmen Kitzel" verspürt, wenn sie Tieren oder Menschen Schmerzen zufügten, und bei 33% der Männer und 19% der Frauen macht sich diese Tendenz weiterhin bemerkbar. 28% der Männer und 29% der Frauen geben an, es schon einmal genossen zu haben, wenn andere Personen ihnen Schmerzen zufügten. Bei 20% der Männer und 27% der Frauen ist das nach wie vor der Fall. [Ham29]
1953
Der Zoologe Alfred C. Kinsey veröffentlicht den zweiten Teil seiner umfassenden Studie zum menschlichen Sexualverhalten, "Sexual Behaviour in the Human Female". Kinsey hatte für diese Studie ausführliche Interviews mit weit über 10.000 Männern und Frauen geführt. 3% der Frauen und 10% der Männer geben an, eindeutig oder regelmäßig durch sadomasochistische Geschichten erregt zu werden, weitere 9% der Frauen und 12% der Männer reagieren manchmal mit Erregung. 26% der Frauen und 26% der Männer erregt es definitiv oder immer, beim Sex gebissen zu werden, weitere 29% der Frauen und 24% der Männer nur manchmal. [KP+54]
Jahr fehlt, vor 1959
Die "Arbeitsgemeinschaft für Werbung, Markt- und Meinungsforschung" befragt je 1000 Jugendliche zwischen 16 und 20 in Westberlin, Hamburg, München und Stuttgart zu Interessen und Freizeitbeschäftigungen. 94% der Befragten wissen, was Homosexualität ist, aber nur 28% können sich unter Sadismus, 25% unter Masochismus und 20% unter Fetischismus etwas vorstellen. ["Natürliches und Widernatürliches im Geschlechtsleben der Großstadtjugend", Psychologische Rundschau, Jahr fehlt, zitiert nach Mec59]
1950-1956
Die "Arbeitsgemeinschaft für wissenschaftliche Meinungsforschung" interviewt 1101 professionelle Dominas und 901 Masochisten, die über Kontaktanzeigen ausfindig gemacht wurden. "80% der Masochisten wollen ihre abnorme Neigung schon im Alter von 10-14 Jahren festgestellt haben. Ungefähr 50% erklärten, sie hätten diesen Hang anlässlich einer Prügelszene in der Schule zum ersten Mal verspürt. (...) Von 75 befragten Masochisten - denen diese Frage vorgelegt wurde - gaben 12 an, sie seien 'erblich vorbelastet'. (...) Nur 80% der erfassten Masochisten verlangen nach Auspeitschungen oder ähnlichen 'Vorstellungen', die von Fall zu Fall verschieden sind. Ein Fünftel gehört einwandfrei zu den Schuhfetischisten. Alle übrigen lassen es bei mehr oder weniger harmlosen Szenen bewenden. (...) Es fällt auf, dass der Anteil der Jugendlichen bei den Masochisten nicht sehr groß ist." (12% der Befragten waren unter 31). 30% der Masochisten bezeichnen sich als impotent. 50% der Masochisten geben an, sich nach jeder "Behandlung" vorzunehmen, "die unwürdigen Szenen nicht mehr zu wiederholen, um dann doch immer wieder der Versuchung zu erliegen".[Mec59]
Die "Arbeitsgemeinschaft" bestand vermutlich aus Dr. Ulrich Mechler selbst und seinen privaten Interessen. Viel Wissenschaftlichkeit haftet der Untersuchung jedenfalls nicht an. Außerhalb der kommerziellen Szene wurde gar nicht erst recherchiert. Es sei, so der Autor "leider eine Tatsache ..., dass ein großer Teil der Besucher von Flagellationsbordellen durch Prügelszenen in der Schule 'infiziert' wurde." Wie das unbeeinträchtigte Florieren der Subkultur nach Abschaffung der Prügelstrafe in der Schule zeigt, hat es sich bei diesen schulischen Prügelszenen wohl eher um Anzeichen oder Inspiration, nicht aber um die Auslöser sadomasochistischer Interessen gehandelt.
1972
Larry Townsend veröffentlicht in seinem "Leatherman's Handbook" die Ergebnisse einer selbst durchgeführten Fragebogenaktion in schwulen SM-Clubs. 276 Männer wurden befragt, 40% bezeichnen sich als Sadisten, 85% als Masochisten. (Die Überschneidung kommt dadurch zustande, dass einige beides ankreuzen.) Das Durchschnittsalter der Sadisten liegt bei 38 Jahren, das der Masochisten bei 24. 70% der Masochisten, aber nur 30% der Sadisten sind beschnitten. [Tow72]
1974
Im Auftrag der "Playboy Foundation" lässt ein unabhängiges amerikanisches Forschungsinstitut eine repräsentative Bevölkerungsstichprobe insgesamt 2026 Fragebögen ausfüllen. Bei den Befragten unter 35 hatten 18% der Männer und 3% der Frauen schon einmal Masturbationsphantasien, in denen sie jemanden zum Sex zwangen. Umgekehrt hatten 14% der Männer und 24% der Frauen unter 35 schon einmal Masturbationsphantasien, in denen sie zum Sex gezwungen wurden. Bei den Befragten über 35 waren solche Phantasien nur etwa halb so verbreitet. 7% der Männer und 3% der Frauen hatten schon einmal sexuelle Erregung empfunden, wenn sie jemandem Schmerzen zufügten; 4% der Männer und 6% der Frauen fanden es erregend, Schmerzen zugefügt zu bekommen. Auch hier liegen die Werte bei den über 35jährigen deutlich niedriger. [Hun74]
1974-75
Der Psychiater und Sexualwissenschaftler Andreas Spengler führt eine Fragebogenuntersuchung an 245 Männern durch. Die Fragebögen werden teilweise an die Chiffreadressen von Kontaktanzeigen in verschiedenen SM-Magazinen verschickt, teilweise aber auch innerhalb von hetero- und homosexuellen SM-Organisationen verteilt. Im Heterobereich dürfte es sich dabei um das Flagellantenmagazin "freies forum für erziehungsfragen" gehandelt haben, dessen Clubmitglieder laut Spengler sich nicht wie die schwulen Befragten auch persönlich trafen, sondern nur schriftlich durch das interne Kontaktmagazin verbunden waren. Es werden nur Männer und Paare angeschrieben; die Auswertung enthält keine Daten über Frauen. Er könne nicht abschließend belegen, so Spengler, ob es wirklich so wenig sadomasochistisch interessierte Frauen gebe. 30% der 245 Befragten sind ausschließlich heterosexuell, 31% bisexuell und 38% ausschließlich homosexuell. 32% geben an, ausschließlich oder überwiegend die aktive Seite zu bevorzugen, 38% ausschließlich oder überwiegend die passive, und 29% fühlen sich auf beiden Seiten gleich wohl. Die Ehefrauen sind in 54% der Fälle nicht informiert, 12% vermuten es, 34% sind informiert. In 43% der Fälle weiß kein Freund Bescheid. Nur 28% der verheirateten Befragten, deren Ehefrau informiert war, berichten über eine positive Reaktion ihrer Frau. 15% geben an, ausschließlich durch SM-Handlungen zum Orgasmus kommen zu können; bei 44% scheinen (die Beschreibung ist unklar) SM-Phantasien nötig zu sein. 45% kommen auch ganz ohne SM zum Höhepunkt. [Spe79]
Spengler ist der erste, der sich dem Thema mit sozialwissenschaftlichen Methoden nähert. Seine Fragestellungen erweisen sich als sinnvolle Neuerungen und werden später von anderen Forschern wieder aufgegriffen.
1976
In einer vom Playboy in Auftrag gegebenen Studie eines unabhängigen Forschungsinstituts geben 2% der befragten 3700 Collegestudenten an, sie hätten schon einmal Schmerzen beim Sex erlitten oder zugefügt und es genossen. Weitere 4% würden gerne damit experimentieren. 3% haben positive Erfahrungen mit Bondage oder Master-Slave-Rollenspielen gemacht. Insgesamt wären etwa 12% der Frauen und 18% der Männer bereit, solche Praktiken auszuprobieren. Außerdem geben 5% der Männer und 8% der Frauen an, sexuelle Phantasien zu haben, die vom Zufügen oder Erleiden von Schmerzen handeln. ["What's Really Happening on Campus", Playboy Oktober 1976, S. 128-131, 160-164, 169. Zitiert nach: ML87]
1980
Die Soziologen Raymond Eve und Donald Renslow befragen 72 US-Studenten, davon 39 Frauen (Durchschnittsalter 24 Jahre) in einer anonymen Fragebogenaktion zu ihren sexuellen Verhaltensweisen und Phantasien. 11% der Teilnehmer geben an, schon einmal durch Flagellation erregt worden zu sein, davon alle bis auf einen lediglich durch entsprechende Phantasien. 8% der Teilnehmer geben sexuelle Phantasien an, die vom Zufügen von Schmerzen handeln. 17% finden die Vorstellung erregend, sich fesseln zu lassen, aber nur ein Mann und zwei Frauen haben entsprechende Erfahrungen. [ER80]
1980
EINFÜGEN: GOSSELIN / WILSON 1980[GW80]
1982
Die Psychologen Breslow, Evans und Langley veröffentlichen einen Fragebogen in zwei US-amerikanischen SM-Magazinen und bitten außerdem die Verfasser sadomasochistischer Kontaktanzeigen um ihre Mitarbeit. 130 Männer und 52 Frauen (28%) beteiligen sich an der Umfrage. Das Durchschnittsalter der Männer liegt bei 36 Jahren, das der Frauen bei 33. 75% der Männer und 98% der Frauen geben an, ihre Partner wüssten Bescheid. Männer entdeckten ihr Interesse an SM im Schnitt mit 14, Frauen erst mit 21. 64% der Männer und 21% der Frauen interessieren sich seit ihrer Kindheit für das Thema, 8% der Männer und 62% der Frauen sind durch eine andere Person mit SM in Berührung gekommen. 21% der Männer und 15% der Frauen sind ausschließlich dominant, 27% der Männer und 22% der Frauen ausschließlich submissiv, 52% der Männer und 63% der Frauen wechseln hin und wieder die Rollen. 27% der Männer und 41% der Frauen betrachten SM als Vorspiel, 8% der Männer und 13% der Frauen als "Lifestyle". 73% der Männer und 77% der Frauen fühlen sich selten oder nie "schmutzig" oder "pervers" wegen ihrer sexuellen Vorlieben, 4% der Männer und 15% der Frauen aber häufig oder immer. Die beliebtesten Praktiken der Männer sind Spanking, Master-Slave-Beziehungen und oraler Sex, bei den Frauen belegen oraler Sex, Bondage und Reizwäsche die ersten drei Plätze. Schmerzen sind für 51% der Männer und 34% der Frauen wichtig. Fetischistische Vorlieben für Gummi, Leder, Stiefel und Schuhe sind auf beiden Seiten gleich stark vertreten, bei den Frauen werden sie sogar etwas öfter genannt. [BEL85]
1984
Breslow, Evans und Langley vergrößern den männlichen Teil ihrer ursprünglichen Stichprobe, indem sie ihren Fragebogen an weitere Inserenten in SM-Magazinen verschicken. Von den 272 untersuchten Männern sind 50% immer oder vorwiegend heterosexuell und 33% immer oder vorwiegend homosexuell. 65% geben an, sich von allein für das Thema interessiert zu haben, 19% der Homosexuellen, aber nur 9% der Heterosexuellen sind durch einen Partner auf die Idee gebracht worden. Pornographie war der Einstieg für 27% der Heterosexuellen und 13% der Homosexuellen. 9% berichten, das Interesse sei bereits vor ihrem sechsten Lebensjahr aufgetreten; insgesamt sind 70% ihre SM-Interessen bis zu ihrem sechzehnten Lebensjahr klargeworden. 49% der Heterosexuellen, aber nur 9% der Homosexuellen haben keine Freunde oder Bekannten mit SM-Interessen. Die Partner wissen in 76% der Fälle Bescheid - also deutlich häufiger als noch bei Spengler. 34% der Heterosexuellen und 12% der Homosexuellen haben schon einmal die Dienste professioneller SM-Anbieter in Anspruch genommen. 5% der Befragten wurden als Kinder sexuell missbraucht, 27% geben an, emotional missbraucht worden zu sein. 75% der Heterosexuellen und 89% der Homosexuellen fühlen sich selten oder nie schmutzig oder pervers wegen ihrer SM-Interessen. 27% sind immer oder überwiegend dominant, 37% immer oder überwiegend submissiv und 36% switchen. [BEL86]
Die hohe Anzahl von Befragten, die Pornographie als "Einstiegsdroge" nennen, muss übrigens noch nicht bedeuten, dass Pornographie tatsächlich die Ursache ihrer SM-Interessen ist. Man hört nicht selten von Sadomasochisten, dass es ihnen beim Lesen der "Geschichte der O" oder während eines Films wie Schuppen von den Augen gefallen sei und dieser Moment den Beginn ihres Coming-Out markiere. Es ist denkbar, dass die bereits vorhandenen Interessen in diesem Moment erst ins Bewusstsein vordringen oder sich erst anhand von Pornographie ein konkretes Modell für die bis dahin nur vage umrissenen Vorstellungen bildet. Nach den Details wurde in dieser Untersuchung nicht gefragt.
1986
Der Sexualwissenschaftler Eberhard Schorsch schreibt: "Von der Seite der Perversion betrachtet ist es fraglich, ob die reichhaltige Domäne männlicher Abweichungen ihre Entsprechung in der weiblichen Sphäre findet: sexuelle Deviationen sind bei Frauen eine Rarität. (...) Weiblicher Masochismus als sexuelle Deviation ist, soweit bekannt, sehr selten; seine angebliche Verbreitung scheint mehr das Produkt von Männerphantasien zu sein. (...) Ähnliches gilt für den weiblichen Sadismus, der überwiegend als Entsprechung männlicher Wünsche in der Prostitution angeboten wird und selten einem devianten Interesse bei der Frau entspringt." [Sch86]
Schorsch bietet drei Erklärungshypothesen für diese Beobachtung - die Möglichkeit, dass Frauen mit Paraphilien eventuell einem geringeren Leidensdruck ausgesetzt sind und daher einfach seltener einen Therapeuten oder gar Psychoanalytiker aufsuchen als Männer, ist nicht dabei. Diese "klinische Verzerrung" des Bildes findet man in der Literatur häufig.
1986
Der Psychologe Glenn Wilson befragt 291 Männer und 409 Frauen zu ihren sexuellen Phantasien. Ein voyeuristisches/fetischistisches Interesse geben 18% der Männer und 7% der Frauen an, für erzwungenen Sex oder Vergewaltigung interessieren sich 4% der Männer und 13% der Frauen, für Sadomasochismus jeweils 7%. [Wil86]
1987
Der Arzt und Sexualwissenschaftler Charles Moser und und der Psychologe Eugene Levitt befragen 178 Männer und 47 Frauen aus SM-Gruppen. Die Befragten haben erste Erfahrungen im Schnitt mit 22,9 Jahren gemacht und ihr Coming-out mit 25,9 Jahren. 6% wünschen sich, keine SMler zu sein. 59% finden SM befriedigender als normalen Sex, 37% finden beides gleich interessant. 30% geben an, sadomasochistische Stimulation zum befriedigenden Sex zu brauchen. [ML87]
1988
Der Münchner Psychologe Henner Ertel befragt eine repräsentative Zufallsstichprobe von 5963 Personen zum Gebrauch von Erotika und Pornographie. Von den Befragten, die keine Pornographie konsumieren, haben 14-96% der Männer und 10-65% der Frauen sexuelle Phantasien über spielerisch-rituelle Gewalt, freiwillige Unterwerfung, Demütigung und Erniedrigung. Von realen aggressiven Handlungen phantasieren 4-9% der Männer und 2-10% der Frauen. Jeweils 41% geben an, ihre sexuellen Phantasien hätten nichts mit ihrem wirklichen Sexualleben zu tun. Die befragten Pornographiekonsumenten haben solche Phantasien nur geringfügig häufiger, zum Teil sogar seltener. [Ert90]
1988-1992
Für den "Janus Report on Sexual Behavior" werden in den USA 2765 Personen, davon 1418 Frauen, in einer Fragebogenaktion zu ihren sexuellen Vorlieben und Verhaltensweisen befragt. Die Stichprobe ist so ausgewählt, dass sie die Durchschnittsbevölkerung möglichst genau wiederspiegeln soll. 14% der Männer und 11% der Frauen haben Erfahrungen mit sadomasochistischen Praktiken. 16% der Männer und 12% der Frauen sind der Meinung, dass Schmerzen und Vergnügen beim Sex gut zusammenpassen. Jeweils 11% haben Erfahrung mit Bondage. 11% der Männer und 6% der Frauen haben Erfahrung mit Fetischen. 5% der Männer und 7% der Frauen haben Erfahrung mit verbaler Demütigung, 6% der Männer und 4% der Frauen mit Urinspielen, 1% der Männer und 0% der Frauen mit Kotspielen. [JJ93]
1989
Die Psychologen Person, Terestman, Myers, Goldberg und Salvadori untersuchen die sexuellen Phantasien und Verhaltensweisen von 193 US-College-Studenten zwischen 20 und 26 Jahren, davon etwa 40% Frauen, mittels eines Fragebogens. 4% der Frauen und 3% der Männer haben sich in den letzten drei Monaten beim Sex fesseln lassen, 4% der Frauen und 1% der Männer beim Sex demütigen lassen, 1% der Frauen und 0% der Männer beim Sex quälen lassen, 1% der Frauen und 3% der Männer haben ihre Partner beim Sex "zur Unterwerfung gezwungen", jeweils 1% haben ihren Partner gedemütigt, sich auspeitschen oder schlagen lassen oder ihren Partner gequält. 0% der Frauen und 2% der Männer haben ihren Partner ausgepeitscht oder geschlagen. 20% der Frauen und 15% der Männer hatten in den letzten drei Monaten sexuelle Phantasien, in denen sie gezwungen werden, sich zu unterwerfen, ebenfalls 20% der Frauen und 15% der Männer träumen davon, sich beim Sex fesseln zu lassen. 12% der Frauen und 5% der Männer haben Phantasien, in denen sie sexuell gedemütigt werden, 9% der Frauen und 5% der Männer, von ihrem Partner gequält zu werden, 8% der Frauen und 5% der Männer haben Phantasien, in denen sie geschlagen oder ausgepeitscht werden. 5% der Frauen und 31% der Männer phantasieren darüber, ihren Partner zu unterwerfen, 1% der Frauen und 7% der Männer davon, ihren Partner zu schlagen oder auszupeitschen, 1% der Frauen und 7% der Männer haben Phantasien, in denen sie ihre Partner demütigen und 0% der Frauen, aber 6% der Männer haben Phantasien, in denen sie ihre Partner quälen. 11% der befragten Frauen und 1% der Männer phantasieren von Sex mit Tieren. Bei den Fragen, die sich auf das gesamte Leben, nicht nur auf die vergangenen drei Monate beziehen, liegen die Werte noch einmal deutlich höher. [PT+89]
1991
Die Psychoanalytikerin Louise Kaplan schreibt in "Weibliche Perversionen", beim sexuellen Masochismus käme auf etwa zwanzig Männer eine Frau, während ansonsten weniger als ein Prozent der sexuellen Perversionen Frauen beträfen. Eine Quelle für diese Zahlen ist nicht angegeben. [Kap91a]
1991-1992
Das Hamburger Sexologische Institut (SEIN) befragt in einer Fragebogenaktion unterschiedliche Stichproben von je mindestens 1000 Personen zwischen 16 und 45 zum Thema "Was ist pervers?". 56% der Befragten halten "harten Sado/Maso" für pervers, 30% finden auch "weiche" SM-Praktiken pervers. (Die Bezeichnung "pervers" ist allerdings auch unter Sadomasochisten nicht ungebräuchlich und muss daher noch keine negative Bewertung dieser Praktiken bedeuten.) 11% der Frauen und 4% der Männer haben selbst schon einmal "weichen S/M" praktiziert, wobei der Anteil in den alten Bundesländern mehr als doppelt so hoch liegt wie in den neuen. "Harten S/M" hat nur insgesamt 1% der Befragten schon einmal erlebt. 6% der Frauen und 11% der Männer würde es locken, selbst einmal "weichen S/M" auszuprobieren, während "harter S/M" nur 1% der Frauen und 5% der Männer lockt. Hier liegt der Anteil in den alten Bundesländern sogar dreimal so hoch wie in den neuen. Bei 11% der Frauen und 16% der Männer kam "weicher S/M" schon einmal in erotischen Träumen vor - wobei nicht erläutert wird, ob es sich dabei tatsächlich um nächtliche Träume oder um sexuelle Phantasien handelte. 5% der Frauen und 7% der Männer haben auch schon von "hartem S/M" geträumt.
62% der Frauen und 44% der Männer finden Flagellantismus pervers. Zwei Prozent der Frauen und ein Prozent der Männer haben selbst schon einmal Flagellantismus praktiziert, 2% der Frauen und 4% der Männer hätten Lust, damit zu experimentieren, davon viermal so viele in den alten Bundesländern wie in den neuen.
Fetischismus finden nur 21% der Frauen und 19% der Männer pervers. In den neuen Bundesländern ist die Ablehnung deutlich stärker als in den alten Ländern (34% gegenüber 17%). 5% der Frauen und 1% der Männer haben Erfahrung mit fetischistischen Praktiken. 1% der Frauen und 4% der Männer würde es reizen, einmal ihren fetischistischen Phantasien freien Lauf zu lassen.
4% der Frauen und 1% der Männer haben Erfahrung mit Urinspielen, 6% der Männer und 1% der Frauen hätten Lust, Urinspiele auszuprobieren. Mit Spielen mit Kot haben 1% der Frauen und 1% der Männer bereits Erfahrung. [Bro96]
1993
Eine Forschergruppe der Universität Trier befragt 143 Sadomasochisten, 38% davon Frauen. 39% der Interviewten sind jünger als 30 Jahre. Ein Großteil der Befragten kommt aus dem Umfeld des "S/M Sündikat Hamburg", der aktivsten Heterogruppe der frühen Neunziger. Die passive Rolle wird von 54% der Frauen und 28% der Männer bevorzugt, 24% switchen, 29% der Männer und 37% der Frauen nehmen am liebsten die aktive Rolle ein.[WS+93]
"Ehe der Forscher ein erstes Gespräch mit einem Sadomasochisten führen kann", schreiben die Autoren, "muss er zunächst einmal eine Mauer aus Misstrauen, Angst, Schamgefühlen und Desinteresse überwinden." Das hat sich mittlerweile gründlich geändert; die meisten deutschsprachigen Organisationen würden es begrüßen, wenn sich die Sexualwissenschaft mehr für ihre Belange interessieren würde. Offenbar schreckt aber die Vorstellung, man müsse sich für eine solche Untersuchung erst mühselig Zugang zu einer konspirativen Subkultur verschaffen, die meisten Forscher weiterhin ab.
1994
Die Sexualwissenschaftler und Psychologen Moser, Levitt und Jameson befragen 45 Frauen aus der SM-Subkultur, von denen 34 keine Prostituierten sind. Der Großteil der Frauen stammt aus den zwei größten amerikanischen SM-Gruppen, "The Society of Janus" und "The Eulenspiegel Society". Das Durchschnittsalter liegt bei 31 Jahren. 12% bevorzugen die dominante Rolle, 41% schätzen beide Seiten und 47% sind submissiv. Spanking ist die beliebteste Aktivität; einen Gummi-oder Lederfetisch geben 47% der Befragten an. 13% wären lieber keine Sadomasochistinnen. [LMJ94]
1995
Die schwedischen Psychologen Kurt E. Ernulf und Sune M. Innala veröffentlichen die Ergebnisse ihrer Analyse von 514 Beiträgen zum Thema Bondage, die 1990 in der Newsgroup alt.sex.bondage gepostet wurden. 24% der Beiträge stammen von Frauen. 71% der heterosexuellen Männer, 11% der heterosexuellen Frauen und 12% der homosexuellen Männer geben an, die dominante Seite zu bevorzugen. 29% der heterosexuellen Männer, 89% der heterosexuellen Frauen und 88% der homosexuellen Männer ziehen die submissive Seite vor. 33% geben an, Bondage zusammen mit sadomasochistischen Praktiken auszuüben oder die beiden Bereiche als zusammengehörig zu betrachten. [EI95]
1996
Die US-amerikanische Zeitschrift Details sammelt 1752 Fragebögen zum Sexualleben von College-Studenten. 57% der Studenten ist es zu peinlich, ihrem Partner oder ihrer Partnerin ihre sexuellen Phantasien anzuvertrauen. 16% haben ihre Phantasien bisher nicht in die Tat umgesetzt, weil sie ihnen Angst machen. 44% der heterosexuellen Männer, aber nur 13% der heterosexuellen Frauen klagen darüber, dass ihr Partner oder ihre Partnerin ihre Phantasien ablehnt. 24% haben sexuelle Phantasien, die von Bondage handeln - dabei führen die homo- und bisexuellen Männer mit 40%, gefolgt von den lesbischen und bisexuellen Frauen mit 32%, 24% der heterosexuellen Frauen und 21% der heterosexuellen Männer. Bereits ausprobiert haben Bondage 48% aller lesbischen und bisexuellen Frauen, 34% der homo- und bisexuellen Männer und um die 25% aller Heteros. SM-Phantasien haben 21% der lesbischen und bisexuellen Frauen, 15% der homosexuellen Männer, 11% der heterosexuellen Männer und 9% der heterosexuellen Frauen. In allen Gruppen haben um die 6% praktische Erfahrungen mit SM, bis auf die lesbischen und bisexuellen Frauen: dort sind es stattliche 21%. Von Sex in Verbindung mit Gewalt phantasieren 16% der homosexuellen Frauen und Männer, 11% der heterosexuellen Frauen und 9% der heterosexuellen Männer. 18% der lesbischen und bisexuellen Frauen haben Erfahrung damit; bei den homo- und bisexuellen Männern sind es 9%, bei den heterosexuellen Frauen 6% und den heterosexuellen Männern 5%. Spanking interessiert etwa 12% aller Männer unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung, 8% der heterosexuellen Frauen und 16% der bisexuellen und lesbischen Frauen. 33% der bisexuellen und lesbischen Frauen, 30% der heterosexuellen Männer und 24% der schwulen und bisexuellen Männer und der Heterofrauen haben Erfahrung damit. [EB97]
In dieser Umfrage übersteigen sowohl das Interesse der heterosexuellen Frauen an "Sex in Verbindung mit Gewalt" als auch das Ausmaß ihrer praktischen Erfahrungen damit erstmals das der Männer. Denkbar wäre zwar, dass die durch politisch korrekte Verhaltensmaßregeln eingeschüchterten Männer noch weniger als früher wagen, ihre Gewaltphantasien einzugestehen, aber angesichts der insgesamt hohen Zahlen ist das eher unwahrscheinlich. Auffällig ist auch, dass bisexuelle und lesbische Frauen in einigen Rubriken mit mehreren Längen führen.
1996
Im offiziellen diagnostischen und statistischen Manual psychischer Störungen DSM-IV der WHO heißt es: "Mit Ausnahme des sexuellen Masochismus, bei dem das Geschlechtsverhältnis auf 20 Männer pro 1 Frau geschätzt wird, werden andere Paraphilien bei Frauen praktisch nie diagnostiziert, wenn auch über Einzelfälle in der Literatur berichtet wurde." Quellen für diese Schätzung fehlen. [APA96]
1996
Das Standardwerk "Klinische Psychologie" konstatiert: "Die Statistiken der Prävalenz zeigen, dass Paraphile, gleichgültig welcher sexuellen Orientierung, fast immer Männer sind. Nur beim Masochismus findet man eine gewisse Zahl von Frauen, aber auch hier werden sie im Verhältnis von 20 zu 1 von den Männern übertroffen." Die verwendeten Statistiken sind nicht angegeben. [DN96]
1996
Der deutsche Sexualwissenschaftler Gunter Schmidt schreibt in "Sexuelle Verhältnisse": "Auf zehn männliche Perversionen, so schätzt man, kommt eine weibliche." Grundlagen für diese Schätzung fehlen. [Sch96c]
1996
Das Hamburger Sexologische Institut (SEIN) befragt in einer Fragebogenaktion 1847 Frauen und Männer zum Zusammenhang zwischen Sexualität und Macht. 14% der Männer aus der "höchsten Machtgruppe", 10% aus der mittleren und 7% aus der niedrigsten benutzen Fesseln zur sexuellen Anregung. Bei den Frauen waren es 13% in der höchsten, 11% in der mittleren und 15% in der niedrigsten Machtgruppe. 8% der Männer aus der höchsten Machtgruppe, aber nur jeweils 1% der Männer aus der niedrigen und der mittleren finden sexuelle Anregung durch SM-Zubehör wie Peitschen, Masken, Ketten oder ähnliches. Bei den Frauen geben 5% in der höchsten, 3% in der mittleren und wieder 5% in der niedrigsten Machtgruppe an, sich dieser Mittel zu bedienen. [Bro96a]
1998
In der Sendereihe "Planetopia" auf SAT1 heisst es in einem Beitrag zu "Lust und Schmerz", es gebe "700.000 Deutsche mit SM-Phantasien". Eine Quelle für diese Zahl fehlt.
Mit unter 1 Prozent der Gesamtbevölkerung liegt dieser Wert jedenfalls deutlich unter den Ergebnissen aller Studien - die hier aufgeführten Untersuchungen legen eher die Vermutung nahe, dass zwischen 4 und 60 Millionen Deutsche entsprechende Phantasien haben.
1998
320 US-College-Studenten mit einem Durchschnittsalter von 23,5 Jahren, davon 72% Frauen, werden in einer Fragebogenaktion unter anderem dazu befragt, ob und wie oft sie schon durch sadomasochistische Phantasien oder Aktivitäten erregt wurden. Die Antwortmöglichkeiten reichen von 0 (noch nie) bis 6 (täglich dadurch erregt). Es gibt je 6 Fragen zu Phantasien und Praktiken, nämlich: (1) "beim Sex der dominante Teil sein", (2) "beim Sex dominiert werden", (3) "bei sexuellen Aktivitäten mit Bondage und Erziehungsspielen zusehen", (4) "an sexuellen Aktivitäten mit Bondage und Erziehungsspielen teilnehmen", (5) "von einem Partner beim Sex gefesselt werden" und (6) "von einem Partner beim Sex geschlagen werden". Die männlichen Teilnehmer erreichen signifikant höhere Werte bei vier der sechs Fragen zu Phantasien (1, 4, 5 und 6) und bei drei der sechs Fragen zu Praktiken (1, 3 und 4). Bei den restlichen Fragen gibt es keine geschlechtsspezifischen Unterschiede. Die Unterschiede zwischen Frauen und Männern sind bei den Fragen zu den Phantasien größer als bei den Fragen zu den Praktiken. Darin spiegelt sich, so die Vermutung der Autorin, die Tatsache wieder, dass zum Phantasieren kein Partner benötigt wird. Welcher Anteil der Befragten überhaupt Erregung durch sadomasochistische Phantasien oder Aktivitäten beschreibt, geht aus der Veröffentlichung nicht hervor. [DF98]
1998/99
Das SM-Onlinemagazin "Zart und hart" erhebt für den Zugang zum "Clubbereich" einige Daten der Benutzer (www.zarthart.com/praxis/umfrage99/main.html). Gefragt wird nach Geburtsjahr, Geschlecht, "Haupt-SM-Richtung", Erfahrung mit SM und Herkunftsland. Zwischen Juni 1998 und Ende 1999 werden so die Angaben von 13.173 Personen gewonnen, davon 13% Frauen*. 30% der Befragten sind jünger als 30 Jahre, 43% zwischen 30 und 39, 22% zwischen 40 und 49 und 5% älter als 49 Jahre. 20% geben an, keine Erfahrung mit SM zu haben, 48% haben "geringe Erfahrung" und 33% halten sich für "erfahren" bis "sehr erfahren". 8% der Männer und 3% der Frauen geben "sadistisch" als Hauptinteresse an, 8% der Männer und 14% der Frauen "masochistisch". "Dominant" ist das Hauptinteresse von 26% der Männer und 11% der Frauen, während 18% der Männer und 45% der Frauen sich auf der "devoten" Seite sehen. Hauptsächlich für Bondage interessieren sich 22% der Männer und 12% der Frauen. Die Werte für "dominant" und "sadistisch" liegen bei den jüngeren Befragten niedrig und steigen mit dem Alter stetig an; die Werte für "masochistisch" und "devot" sind gegenläufig**.
* Zum auffällig niedrigen Frauenanteil heißt es in der Auswertung: "Das Bild wird hier besonders dadurch verzerrt, daß Frauen nur zu einem wesentlich geringeren Anteil auf Erotikseiten surfen als Männer. Der GfK-Online-Monitor weist für die 4. Befragungswelle (Nov. 1999) ein Verhältnis zwischen männlichen und weiblichen Internet-Nutzern von 69,5% zu 30,5% aus. Zusätzlich weisen andere Untersuchungen darauf hin, daß Erotikseiten von Frauen deutlich weniger besucht werden als von Männern."
** Aus der Veränderung der Interessen mit dem Lebensalter lässt sich nicht herauslesen, dass es eine solche Veränderung in den individuellen Interessen im Laufe des Lebens gibt, sondern lediglich, dass die untersuchten Altersgruppen unterschiedliche Interessensschwerpunkte hatten. Es ist denkbar, dass die Untersuchung mehrere "Alterskohorten" mit jeweils völlig unterschiedlichem SM-Werdegang erfasst hat. Um mehr über die Veränderungen während einzelner "SM-Laufbahnen" herauszufinden, müsste man eine Gruppe von Sadomasochisten über einen längeren Zeitraum wiederholt befragen.
1999
Die Sexualwissenschaftlerin Gloria Brame erhebt in einer Internetumfrage unter www.gloria-brame.com Daten von 6997 Sadomasochisten und Fetischisten, davon 43% Frauen. 68% der Befragten sind heterosexuell, 21% bisexuell und jeweils 4% schwul oder lesbisch. 36% haben in ihrer Herkunftsfamilie häusliche Gewalt oder emotionalen Missbrauch erlebt. 24% bemerkten ihre abweichenden Interessen vor ihrem zwölften Lebensjahr, weitere 34% vor dem 17. Lebensjahr und 23% vor dem 26. Lebensjahr. 52% hatten sich schon einmal - in unterschiedlichem Ausmaß - für ihre BDSM- oder Fetischinteressen geschämt oder deshalb schlecht gefühlt. 36% hatten schon einmal mehr oder weniger entschlossen versucht, ihre BDSM- oder Fetischinteressen aufzugeben, um normaler zu sein. 4% hatten schon einmal Selbstmordgedanken wegen ihrer sexuellen Interessen. Nur 7% hatten wegen ihrer sexuellen Interessen therapeutische Hilfe gesucht. 13% der Befragten machen aus ihrer sexuellen Orientierung kein Geheimnis, bei 14% weiss dagegen überhaupt niemand Bescheid.
Brame kommentiert auf einer Mailingliste den hohen Wert von 36% Teilnehmern mit schwierigem familiärem Hintergrund dahingehend, es gebe Schätzungen, dass bis zu 94% aller amerikanischen Haushalte dysfunktional seien; Sadomasochisten seien daher unter Umständen sogar besser dran als der Bevölkerungsdurchschnitt. Allerdings sei diese hohe Zahl eine wilde - wenn auch in den Medien häufig zitierte - Schätzung, und die Wahrheit werde vermutlich irgendwo in der Mitte liegen. Ihrer persönlichen Meinung nach hätten Sadomasochisten nicht häufiger unter diesen Problemen zu leiden als andere Leute auch.
Dass nur 7% der Teilnehmer jemals einen Therapeuten aufgesucht hatten, deutet auf eine erhebliche Verzerrung der Zahlen in der Literatur hin, die sich auf den klinischen Augenschein verlässt. Offensichtlich bekommen Psychologen die überwiegende Mehrheit der Sadomasochisten und Fetischisten gar nicht erst zu Gesicht.
1999
Michael Pertiller erhebt für seine Psychologie-Diplomarbeit "Empirische Untersuchung zur Persönlichkeit, zu Erfahrungen sowie sexuellen Präferenzen von Sadomasochisten" Daten von 132 Teilnehmern von SM-Gruppen (hauptsächlich SMart Rhein-Ruhr e.V.), davon 39% Frauen. Das Durchschnittsalter der Befragten liegt bei 33 Jahren, wobei - anders als 1972 bei Larry Townsend - kein Altersunterschied zwischen Aktiven und Passiven erkennbar ist. Das durchschnittliche Alter, in dem die ersten SM-Phantasien auftraten, liegt bei 12 Jahren, das durchschnittliche Coming-out-Alter bei 23 Jahren. Pertiller unterteilt die Befragten in ausschließliche Masochisten, M-Switcher, Switcher, S-Switcher und Sadisten. In der Gruppe der reinen Sadisten finden sich 23% der Männer, aber keine einzige Frau. Vor dem Coming-out waren alle Befragten relativ unzufrieden mit ihren sexuellen Aktivitäten; nach dem Coming-out wird die sexuelle Entwicklung als zufriedenstellender wahrgenommen, es gibt kaum noch Schuldgefühle und das Selbstbewusstsein steigt. Dass die sadomasochistischen Phantasien schöner erlebt werden als die Realität, trifft für die Mehrheit nicht zu. Die untersuchten Sadomasochisten weisen nach einem zusätzlich durchgeführten Persönlichkeitstest unauffällige oder günstige, zum Teil sogar ausgesprochen günstige Persönlichkeitsprofile auf. [Per99]
Dass sich unter den ausschließlichen Sadisten keine Frau findet, muss nicht unbedingt bedeuten, dass Frauen keine sadistischen Neigungen haben. Unter den Switchern und S-lastigen Switchern finden sich immerhin 45% der befragten Frauen. Eine mögliche Deutung wäre zum Beispiel, dass der Hang zum kompletten Vermeiden masochistischer Erlebnisse ausschließlich bei Männern auftritt. Das ist nicht ganz unwahrscheinlich; schließlich ist der Konflikt zwischen gesellschaftlich erwünschter Alltagspersönlichkeit und sexueller Rolle bei keiner Konstellation so groß wie bei den männlichen Masochisten.
1999
Stefan Pokroppa befragt für seine Psychologie-Diplomarbeit "Sado-Masochismus -Die sadomasochistischen Rollen in Beziehung zu relevanten Persönlichkeitsvariablen" 110 männliche und 44 weibliche Versuchspersonen mit Hilfe eines Fragebogens. Die Hälfte der Versuchspersonen waren - zum Großteil über SMart Rhein-Ruhr e.V. rekrutierte - Sadomasochisten, die andere Hälfte eine Kontrollgruppe. Er untersucht den Zusammenhang zwischen sadomasochistischen Interessen und den Persönlichkeitsvariablen "Selbstunsicherheit", "Autokratismus", "Neurotizismus" und "Extraversion". Solche Zusammenhänge wurden in der Literatur häufig angenommen, lassen sich in dieser Studie aber nicht feststellen. [Pok99]
1999
Trevor Jacques, Autor eines SM-Handbuchs, veranstaltet im Internet eine extrem ausführliche anonyme Fragebogenuntersuchung an Sadomasochisten. 244 Fragen, zum Teil mit zahlreichen Unterpunkten, waren zu beantworten - Masochisten werden also unter den Teilnehmern vermutlich überrepräsentiert sein. 1100 Fragebögen wurden ausgefüllt; die Ergebnisse werden eines Tages unter www.sexresearch.org auf Englisch nachzulesen sein. Eine Zusammenfassung reichen wir dann hier nach.
2000
Die SM-Informations-Website Datenschlag stellt in einer Internet-Umfrage einige Fragen aus älteren Untersuchungen der siebziger und achtziger Jahre noch einmal. Bei insgesamt 2000 Teilnehmern, davon 33% Frauen, Durchschnittsalter Anfang 30, ergeben sich einige Unterschiede zu den Ergebnissen von damals: Nur 34% der 1977 von Spengler befragten Männer hatten ihre Ehefrau über ihre SM-Interessen informiert; in der Datenschlag-Umfrage sind es 58%, von den befragten Frauen haben sogar 81% ihren Partner informiert. Über positive Reaktionen der Ehefrau hatten bei Spengler nur 28% der befragten Männer berichtet, bei Datenschlag berichten 83% aller Teilnehmer über positive Reaktionen des Partners oder der Partnerin. Beim Outing gegenüber Freunden und Kollegen stiegen die Angaben über positive Reaktionen von 48% auf 93%. Allerdings liegt auch die Anzahl der negativen Reaktionen im Vergleich zu Spenglers Zahlen höher. Das mag darauf zurückzuführen sein, dass sich die Datenschlag-Stichprobe bedenkenloser outet, ohne vorher genau zu sondieren, bei wem auf Akzeptanz zu rechnen ist. 49% der von Breslow, Evans und Langley befragten heterosexuellen Männer und 50% der heterosexuellen Männer aus der Datenschlag-Umfrage haben keine Freunde oder Bekannten mit SM-Interessen; bei den homosexuellen Befragten liegt dieser Anteil bei nur 9% bei Breslow, Evans und Langley und 19% bei Datenschlag. Um die 58% der von Spengler befragten heterosexuellen Männer haben in den letzten 12 Monaten sadomasochistische Handlungen "gar nicht erlebt"; bei Datenschlag sind es im gleichen Zeitraum nur 9%. 20% der von Spengler befragten Männer, aber nur 9% der heterosexuellen Männer der Datenschlag-Umfrage empfinden ihre sexuelle Veranlagung als "belastend". Die - bereits bei Spengler kleinen - Zahlen für "schlechtes Gewissen", "Reue" und "Traurigkeit" nach sadomasochistischen Aktivitäten liegen in der Datenschlag-Stichprobe noch niedriger. An den Angaben zum Alter beim ersten Interesse hat sich wenig geändert: 58% der Gesamtstichprobe von Spengler und 67% der Gesamtstichprobe bei Datenschlag waren sich bis zum 19. Lebensjahr über ihre sexuelle Veranlagung im klaren. 21% der heterosexuellen Männer bei Spengler, 27% der heterosexuellen Männer bei Breslow, Evans & Langley (1986), aber nur 9% der heterosexuellen Männer der Datenschlag-Umfrage geben "Pornographie" als Ursprung ihrer SM-Interessen an. "Legitime Medien" werden bei Spengler und Breslow, Evans & Langley nur von je 4%, bei Datenschlag aber von 25% der heterosexuellen Männer genannt. Die Angaben zum "natürlichen Interesse aus der Kindheit" bewegen sich jeweils etwa zwischen 50% und 60%. 16% der 1987 von Moser und Levitt Befragten haben wegen ihrer SM-Wünsche schon einmal einen Therapeuten konsultiert; bei Datenschlag sind es nur 2%.
Die detaillierten Ergebnisse sind zusammen mit denen der älteren Vergleichsuntersuchungen unter www.datenschlag.org/umfrage/dpb1_ergebnisse.html zu finden.
Alle Prozentwerte sind gerundet.
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