Ich verlor Patient aus den Augen. Ende 1893 kam er eines Tages ganz verstört
wieder und klagte, dass ein solches Leben nicht zu ertragen sei. Er mache die Qualen einer
langsamen Effeminatio durch, habe jede Selbstführung verloren, sei der Sklave eines
entsetzlichen Triebes, der ihn oft plötzlich überfalle, zur Befriedigung zwinge und ihn
dann zerknirscht, beschämt, elend zurücklasse. Er trage beständig jetzt einen Revolver
bei sich (tatsächlich), sei aber zu feig, sich zu erschiessen, habe vergebens
Prostituierte gebeten, ihm diesen Dienst zu erweisen. Seine letzte Hoffnung sei ich. Ich
solle ihn durch Hypnose von seinem scheusslichen Triebe befreien oder wenn dies nicht
gelinge, ihn mittelst Lustgas einschlafen und nicht mehr erwachen lassen. Ein Versuch der
Hypnose gelingt bei dem Unglücklichen. Nach 3 Wochen kommt er wieder, weil er
rückfällig geworden sei. Er habe sich 20 Tage lang ganz frei gefühlt, wie wenn ihm ein
"zweites besseres Ich" eingeflösst worden wäre, das erfolgreich mit dem ersten
ringe. Infolge von sexueller Abstinenz und durch einen masochistischen Traum sei er
vorgestern rückfällig geworden, habe seither, d. h. in 2 mal 24 h. 25 mal Mictio aut
defaectio in os sich machen [sich in den Mund urinieren und
defäzieren] lassen, dabei höchste Wollust, gleich darauf aber Ekel empfunden. Der
koprolagnistische Akt befriedige ihn, wenn es zu Ejakulation komme, geradeso wie der
Koitus. Nur 4mal defic. ejaculatione [da die Ejakulation ausblieb]
sei er veranlasst gewesen, zum Schluss zu koitieren.
Eine neuerliche hypnotische Sitzung verschaffte dem Patienten auf sieben Monate
Ruhe.
Dann kam er nach neuerlichem Paroxysmus ganz zerknirscht wieder.
Nach einer dritten Sitzung habe ich ihn nie wieder gesehen und vermute, dass er
doch endlich den Mut gefunden hat, seinem traurigen Dasein ein Ende zu machen. Ob es
fortgesetzter Suggestivbehandlung möglich gewesen wäre, ihn zu retten, mag dahingestellt
bleiben.
Beobachtung 82. Masochismus, Koprolagnie und Stiefelfetischismus
(Gerichtsverhandlung vor der Bezirksanwaltschaft in Z.).
X., 30 Jahre alt, schwärmt für kleine, zierliche Damenfüsse. Er besucht eines
Tages zwei Puellae publ. in einem Privathause, um sich zu amüsieren. Er bemerkt, er liebe
den Geruch frisch gewichster Schuhe, worauf eine der Dirnen solche anzieht, an welchen er
dann roch. Ferner ersuchte er sie, ihm ins Gesicht und auf ihre Schuhe zu spucken, worauf
er den Speichel ableckte. Sodann veranlasste er sie, die Krusten aus ihren resp.
Nasenlöchern herauszuziehen und ihm in den Mund zu stecken. Er liess sich auch den
Geschlechtsteil mit Schuhwichse bestreichen, zog sich nackt aus, liess dann eine Schnur am
Penis befestigen und sich so auf allen vieren in dem Zimmer herumführen, wobei die Dirnen
ihn mit Ruten streichen mussten, bis Blut floss; er wolle "dressiert" werden.
Dazu mussten die Weiber ihn mit allen möglichen Schimpfworten belegen. Während er so auf
dem Boden lag, mussten sie auf ihm stehen, ihm Fusstritte geben und auf alle erdenkliche
Art quälen. Schliesslich verlangte er noch, dass sie ihre Notdurft in seinen Mund
verrichten sollten, was sie jedoch ablehnten. Während dieser Prozeduren trat effusio
seminis [der Samenerguss] ein. Auf Befragen, wie er dazu
komme, sich so aufzuführen, erklärte er, seit einem Jahre habe er kein Weib mehr
berührt und sich nun wieder etwas amüsieren wollen. Der Geschmack für schöne Füsse
sei ihm von der Schule her geblieben und auf die Abnormitäten im Geschlechtsverkehr sei
er durch Lektüre französischer Bücher geführt worden.
Beobachtung 83. Masochismus. Fetischismus. Koprolagnie.
B., 31 Jahre, Beamter, stammt aus neuropathisch belasteter Familie, war von
Kindesbeinen auf nervös, schwächlich, litt an nächtlichem Aufschrecken. Mit 16 Jahren
hatte er die erste Pollution. Mit 17 Jahren verliebte er sich