Beobachtung 79
. S. in New York ist des Strassenraubes angeklagt. In der Aszendenz zahlreiche Fälle von Irresein, auch Vaters Bruder und Vaters Schwester sind geistig abnorm. Mit 7 Jahren zweimal heftige Hirnerschütterung. Mit 13 Jahren Sturz von einem Balkon Im 14. Jahre bekam S. heftige Anfälle von Kopfweh. Zugleich mit diesen Anfällen oder unmittelbar darauf sonderbarer Antrieb, die Schuhe weiblicher Familienglieder, meist nur einen, zu entwenden und in irgend einem Winkel zu verbergen. Zur Rede gestellt, leugnete er jeweils oder behauptet, sich der Sache nicht zu erinnern. Das Gelüste noch Schuhen war unbesiegbar, kehrte alle 3-4 Monate wieder. Einmal machte er einen Versuch, einen Schuh vom Fusse eines Dienstmädchens zu entwenden, ein andermal hatte er seiner Schwester einen Schuh aus dem Schlafzimmer entwendet. Im Frühjahr wurden zwei Damen auf offener Strasse die Schuhe von den Füssen gerissen. Im August verliess S. in der Frühe sein Haus, um an sein Geschäft als Buchdrucker zu gehen Einen Augenblick darauf entriss er einem Mädchen auf der Strasse einen Schuh, entfloh, lief in seine Offizin, wurde dort wegen Strassenraubes verhaftet. Er behauptet, von seiner Tat nicht viel zu wissen, es sei wie ein Blitz beim Anblick des Schuhes in ihn gefahren, dass er dessen bedürfe, wozu, wisse er nicht. Er habe in einem Zustand von Unbesinnlichkeit gehandelt. Der Schuh befand sich, wie richtig angegeben, in seinem Rocke. In der Hast war er geistig so erregt, dass man Ausbruch von Irrsinn befürchtete. Entlassen, stahl er seiner Frau, während sie schlief, wieder Schuhe. Sein moralischer Charakter, seine Lebensweise waren untadelhoft. Er war ein intelligenter Arbeiter, nur schnell folgende unregelmässige Beschäftigung machte ihn konfus und unfähig zur Arbeit. Freisprechung. (Nichols, Americ. J. J. 1859; Beck, Medical jurisprud. 1860 vol. I, p. 732.)Dr. Pascal hat op. cit. noch einige ganz ähnliche Beobachtungen, und viele andere sind mir durch Kollegen und Patienten zugekommen.
c) Ekelhafte, Selbstdemütigung involvierende und offenbar zum Zweck der Befriedigung masochistischer Gelüste unternommene Handlungen - larvierter Masochismus, Koprolagnie.
Während in den bisher geschilderten Aeusserungsweisen des Masochismus das ästhetische Gefühl im allgemeinen gewahrt und die angestrebte wollüstig betonte Situation ganz symbolisch oder ideell bleiben kann, kommen Fälle vor, in welchen das Streben nach sexueller Befriedigung durch Selbstdemütigung vor dem Weib eine das ästhetische und sittliche Gefühl des normalen Menschen auf das äusserste verletzende Ausdrucksweise findet.
Bedingungen dafür sind damit gegeben, dass auf der Grundlage psychischer Degeneration normaliter mit dem tiefsten Ekel betonte Geruchs- und Geschmacksvorstellungen, die lebhaftesten Lustgefühle hervorrufen, wobei die Vita sexualis mächtig erregt wird und der Perverse zu Orgasmus und selbst Ejakulation gelangt.