II. Ich bin körperlich und seelisch durchaus männlich veranlagt. Ueberstarker
Bartwuchs und starke Behaarung am ganzen Körper. In meinen nicht masochistischen
Beziehungen zum weiblichen Geschlecht ist für mich die dominierende Stellung des Mannes
eine unerlässliche Bedingung, und jeden Versuch, dieselbe zu beeinträchtigen, würde ich
mit Energie zurückweisen. Ich bin energisch, wenn auch nicht allzu mutig, doch wird der
fehlende Mut dann ergänzt, wenn es sich um Verletzung des Stolzes handelt. Gegen
Naturereignisse (Gewitter, Meeressturm usw.) bin ich völlig unempfindlich 1).
Auch meine masochistischen Neigungen haben nichts, was weiblich oder weibisch zu nennen
wäre (?). Allerdings ist hier die Neigung vorherrschend, vom Weibe gesucht oder begehrt
zu werden, doch ist das allgemeine Verhältnis zur "Herrin", wie es
herbeigesehnt wird, nicht das, in welchem das Weib zum Manne steht, sondern das
Verhältnis des Sklaven zum Herrn, das des Haustieres zu seinem Besitzer. Zieht man ganz
rücksichtslos die Konsequenzen aus dem Masochismus, so kann man nicht anders sagen, als
dass das Ideal desselben die Stellung eines Hundes oder Pferdes ist. Beide sind Eigentum
eines anderen, werden von demselben nach Gutdünken misshandelt, ohne dass dieser irgend
jemand Rechenschaft zu geben hätte.
Gerade diese unumschränkte Herrschaft über Leben und Tod, wie sie nur beim Sklaven und
beim Haustiere zu treffen ist, ist das Um und Auf aller masochistischen Vorstellungen.
III. Die Grundlage aller masochistischen Vorstellungen ist die Libido, und je nachdem bei
dieser Ebbe und Flut eintritt, ist dasselbe auch bei jenen der Fall. Andererseits erhöhen
die Vorstellungen, sobald sie vorhanden sind, die Libido ganz erheblich. Ich bin von Natur
durchaus nicht übermässig geschlechtsbedürftig. Erscheinen jedoch die masochistischen
Vorstellungen, so drängt es mich zum Koitus um jeden Preis (meist zieht es mich dann zu
möglichst niedrigen Weibern), und wird diesem Drängen nicht bald stattgegeben, so
steigert sich in kurzer Zeit die Libido fast bis zur Satyriasis. Man könnte hier fast von
einem Circulus vitiosis sprechen.
Die Libido tritt ein, entweder durch Zeitablauf oder besondere Aufregung (auch nicht
masochistischer Art, z. B. Küssen). Trotz dieses Ursprungs verwandelt sich diese Libido
kraft der durch sie selbst erzeugten masochistischen Vorstellungen sehr bald in eine
masochistische, als unreine Libido.
Dass übrigens die Begierde durch äussere zufällige Eindrücke, insbesondere durch den
Aufenthalt in den Strassen einer Grossstadt, erheblich gesteigert wird, unterliegt keinem
Zweifel. Der Anblick schöner und imponierender Frauengestalten, in natura wie in effigie [in Wirklichkeit wie auf Abbildungen], wirkt aufregend. Für den
unter dem Zeichen des Masochismus stehenden ist - wenigstens für die Dauer des Anfalles -
das ganze äussere Erscheinungsleben masochistisch angehaucht. Die Ohrfeige, die die
Meisterin dem Lehrling appliziert, der Peitschenhieb des Fiakers - alles das hinterlässt
dem Masochisten tiefe Eindrücke, während es ihn im nicht masochistischen Zustande
gleichgültig lässt oder gar anekelt.
IV. Schon bei der Lektüre von Sacher-Masoch fiel es mir auf, dass bei dem Masochisten ab
und zu sadistische Gefühle gelegentlich mit unterlaufen. Auch an mir habe ich hin und
wieder sporadische Empfindungen von Sadismus entdeckt. Ich muss aber bemerken, dass die
sadistischen Gefühle nicht derart markant sind wie die masochistischen, und dass
dieselben, abgesehen davon, dass sie nur selten und gewissermassen akzessorisch auftreten,
niemals
1) Diese Differenz des Mutes gegenüber Naturereignissen einerseits, Willenskonflikten andererseits ist jedenfalls auffallend, wenn auch hier die einzige erwähnte Andeutung von Effeminatio.