handelt zu werden. Diese Vorstellung wird mit Wollust betont; der davon Ergriffene schwelgt in Phantasien, in welchen er sich Situationen dieser Art ausmalt; er trachtet oft nach einer Verwirklichung derselben und wird durch diese Perversion seines Geschlechtstriebes nicht selten für die normalen Reize des anderen Geschlechtes mehr oder weniger unempfindlich, zu einer normalen Vita sexualis unfähig - psychisch impotent. Diese psychische Impotenz beruht dann aber durchaus nicht etwa auf einem horror sexus alterius [Abneigung gegen das andere Geschlecht], sondern nur darauf, dass dem perversen Triebe eine andere Befriedigung als die normale, zwar auch durch das Weib, aber nicht durch Koitus, adäquat ist.
Es kommen aber auch Fälle vor, in welchen, neben der perversen Richtung des Triebes, die Empfänglichkeit für normale Reize noch leidlich erhalten ist und nebenher ein geschlechtlicher Verkehr unter normalen Bedingungen stattfindet. In anderen Fällen wieder ist die Impotenz eine nicht rein psychische, sondern eine physische, i. e. spinale, da diese Perversion, wie fast alle anderen Perversionen des Geschlechtstriebes, nur auf dem Boden einer psychopathischen, meistens einer belasteten Individualität sich zu entwickeln pflegt, und solche Individuen in der Regel sich masslosen Exzessen, besonders masturbatorischen, von früher Jugend an hinzugeben pflegen, zu welchen sie die Schwierigkeit, ihre Phantasien zu verwirklichen. immer wieder hin drängt.
Anlass und Berechtigung, diese sexuelle Anomalie "Masochismus" zu nennen, ergab sich mir daraus, dass der Schriftsteller Sacher-Masoch in seinen Romanen und Novellen diese wissenschaftlich damals noch gar nicht gekannte Perversion zum Gegenstand seiner Darstellungen überaus häufig gemacht hatte. Ich folgte dabei der wissenschaftlichen Wortbildung "Daltonismus" (nach Dalton, dem Entdecker der Farbenblindheit).
In den letzten Jahren wurden mir übrigens Beweise dafür beigebracht, dass S.-Masoch nicht bloss der Dichter des Masochismus gewesen, sondern auch selbst mit der in Rede stehenden Anomalie behaftet gewesen sei 1). Obwohl jene mir ohne Vorbehalt zukamen, nehme ich gleichwohl Anstand, sie zu veröffentlichen. Den Tadel, den einzelne Verehrer des Dichters und gewisse Kritiker meines Buches mir dafür zuteil werden liessen, dass ich den Namen eines geachteten Schriftstellers mit einer Perversion des Sexuallebens verquickte, muss ich zurückweisen Als Mensch verliert S.-Masoch doch sicher nichts
1) Vgl. die diese Annahme bestätigende Biographie S. M.s v. Eulenburg, Grenzfragen des Nerven- und Seelenlebens 1902. XIX. p. 46-51.