naiv charakteristische Erzählung des Giovanni Pico della Mirandola (Picus Mirandulae) in den disputationes adversus astrologiam divinatricem lib. V. cap. 27, wobei es sich um eine intendierte, recht stürmische Erweckung erotischer Gefühle bei der dazu veranstalteten Flagellation und durch diese handelt - ein Vorgang, wie er sich seitdem in gleich typischer Inszenierung wohl vieltausendfach abgespielt hat:
Vivit adhuc homo mihi notus prodigiosae libidinis et inauditae; nam ad Venerem nunquam accenditur, nisi vapules. Et tamen scelus id ita cogitat: saevientes ita plagas desiderat, ut increpet verberantem, si cum eo lentius egerit, haud compos plene voti, nisi eruperit sanguis et innocentes artus hominis nocentissimi violentior scutica desaeverit. Efflagit miser hanc operam summis precibus ab ea semper foemina quam adit, praebetque flagellum pridie sibi ad id officii aceti infusione duratum, et supplex a meretrice verberari postulat: a qua quantum caeditur durius, eo ferventius incalescit, et pari passu ad voluptatem doleremque contendit. Unus inventus homo qui corporeas delicias inter cruciatus inveniat, et cum alioquin pessimus non sit, morbum suum agnoscit et odit.
Dieser Mann - wir würden ihn jetzt wohl unter die Masochisten rechnen - scheint also damals, gegen den Ausgang des 15. Jahrhunderts (Pico lebte von 1463 bis 1494), noch als eine Ausnahmenatur betrachtet worden zu sein. Kaum ein Jahrhundert später würde er schon zahlreiche Mitstrebende gefunden haben. So scheint nach vielfachen zeitgenössischen Zeugnissen u.a. in den Londoner Bordellen um diese Zeit die Flagellation als Stimulans für ältere Habitués dieser Häuser bereits beliebt und gebräuchlich gewesen zu sein. Ned Ward in the London spy erzählt ein derartiges Abenteuer, und spricht von einer dieser Praxis ergebenen Menschenklasse, die im Bordell-Argot als flogging cullies bezeichnet werden. Thomas Shadwell lässt im vierten Akt seines Stückes the virtuoso eine entsprechende Szene sich abspielen - grauenvoller Gedanke für einen heutigen Bühnenzensor! - und Otway hat, was noch interessanter ist, im 3. Akte seiner Venice preserved eine ganz ausgesprochen masochistische Szene: der Senator Antonio lässt sich von seiner Geliebten Aquilina, die er zu dem Zwecke aufsucht, ins Gesicht speien, sich als Hund behandeln, unter den Tisch ducken, treten usw. und schliesslich aus dem Zimmer peitschen. Auf die gleichen Neigungen eines verhassten Kritikers zielt ein bissiges Epigramm Christoph Marlowes, des bekannten Vorgängers und Rivalen Shakespeares1):
1)Abgedruckt in den Works of Christopher Marlowe, London 1826, Vol. 3, p. 454.