Dank an Max für die Erarbeitung
Muß das denn wirklich sein? Öffentlichkeitsarbeit, Pressearbeit, am Ende noch mit eigenem Pressesprecher wie der Kaninchenzüchterverein? Nein, es muß natürlich nicht sein. Aber es kann! In der Szene gibt es immer mehr Gruppen, die Öffentlichkeitsarbeit betreiben möchten. Wie man das am besten anstellt, findet ihr auf dieser Seite.
Daß mit Öffentlichkeitsarbeit auch Risiken verbunden sind, ist klar: Immer wieder gibt es tendenziöse oder skandalgeile Berichte in den Medien. In Pressearbeit steckt aber auch eine Chance: Nämlich die, durch mehr Informationen falsche Berichte zu verhindern. Nicht hinter jedem falschem Bericht steckt ein böser Journalist - manchmal war er auch nur uninformiert und hat's einfach nicht besser gewußt.
Der Text basiert auf den Ergebnissen eines Workshops, der bei einem bundesweiten Treffen von SM-Orgas Anfang 2001 abgehalten wurde. Die Teilnehmer waren sich darin einig, daß Pressearbeit sinnvoll ist, sie sollte jedoch keine Betroffenheitskampagne der doch sooo ungerecht und falsch beurteilten, armen SM-Minderheit sein, sondern sich offensive auf unsere Normalität und statistische Relevanz einstellen.
Nach Meinung einiger Teilnehmer würde es der Szene auch gut zu Gesicht stehen, wenn möglichst viele SMler sich zur Offenheit durchringen können. Nur dann wird unsere Offensive auch inhaltlich glaubhaft, denn "sich verstecken" kann als Indiz für "wohl doch nicht so ganz ok" mißdeutet werden. Dies ist jedoch kein Argument gegen den notwendigen Schutz der Intimsphäre von beliebigen Teilnehmern (zum Beispiel eines Stammtisches). Hier muß Vertraulichkeit erhalten bleiben und das ist für Presseleute meist auch verständlich.
Der erste Schritt zur Pressearbeit - der Leserbrief. Mehr dazu findet ihr in dem Text "Konstruktive Leserbriefe".
Habt ihr eine Webseite? Dann richtet eine Ecke nur mit Informationen für Journalisten ein. Dazu gehört eine kurze, prägnante Selbstdarstellung der Gruppe (auch in Stichpunkten sehr nützlich), Hinweise darauf, wo der betreffende Journalist mehr Informationen finden kann (www.usw.de) und (im besten Fall) ein Ansprechpartner.
Will ein Journalist etwas schreiben, braucht er eine Quelle. Ungern werden Gruppen allein zitiert. Deshalb: Bietet auf Eurer Homepage einen Ansprechpartner mit einer Telefonnummer, unter der er auch tagsüber erreichbar sein sollte. Außerdem sollte der Ansprechpartner so sehr euer Vertrauen besitzen, daß er auch ohne Rücksprache mit anderen Gruppenorgas eine Stellungnahme abgeben kann. (Nachrichtenagenturen und Tageszeitungen brauchen Informationen innerhalb weniger Stunden.) Wenn ihr niemanden habt, der mit seinem guten Namen dafür eintreten will, bietet sich zum Beispiel ein anonymes Gruppen-Handy an, dessen Nummer veröffentlicht wird. Am Telefon könnt ihr dem Journalisten immer noch erklären, warum ihr anonym bleiben wollt.
Die Technik einer guten Pressearbeit besteht darin, sich möglichst regelmäßig (zum Beispiel vierteljährlich) bei den Journalisten, mit denen ihr schon mal Kontakt hattet, wieder in Erinnerung zu rufen. Empfehlenswert ist jederzeit auch ein persönliches Gespräch - schaut einfach mal in der Redaktion vorbei oder ruft vorher an und macht einen Termin aus. Zu einer Pressekonferenz solltet allerdings nur einladen, wenn ihr wirklich ein Top-Thema oder einen Super-Knüller habt; sonst macht ihr euch bald unbeliebt.
Das Ziel einer guten Pressearbeit ist nicht unbedingt, daß ihr sofort mit euren Pressemitteilungen veröffentlicht werdet; vielmehr solltet ihr — auf Dauer viel effektiver — ein permanentes "Grundrauschen" (ständige Präsenz und Wiederholung) erzeugen und dem Journalisten vor Augen führen, daß es in seiner Region eine offene und mitgliederstarken SM-Szene mit zuverlässigen, kompetenten Ansprechpartnern gibt. Auf diese greifen dann nämlich die Journalisten gerne zurück, wenn (gar nicht von uns veranlaßt) "mal wieder irgend etwas zum Thema SM ansteht"
Es muß nicht immer ein aktueller Anlaß für eine Pressemitteilung vorhanden sein, hilft aber sehr, wenn man eine direkte Veröffentlichung anstrebt. Bei aktuellen Anlässen kann man eine Vorankündigung (wird aus Aktualitätsgründen lieber abgedruckt als etwas, was schon vorbei ist) und danach noch einmal einen Kurzbericht als Pressemitteilung einsetzen. Aber auch ohne aktuellen Anlaß sollte man versuchen, regelmäßig Pressemitteilungen zu versenden. Thema kann auch ein Ereignis sein, mit dem Eure Gruppe nur sehr indirekt etwas zu tun hat. Aber Vorsicht: Regionale Zeitungen oder Sender brauchen einen regionalen Aufhänger, um über ein Thema berichten zu sehen. Ein Tip: Nützt mit Euren Pressemitteilungen die themenschwachen Zeiten im August und Ende Dezember/Anfang Januar aus. Auch in den Schulferien suchen Journalisten meist händeringend nach Themen. Eure Chance - nutzt sie!
Wenn ihr nicht viele Journalisten anschreiben könnt oder wollt, wendet Euch zunächst an die größeren Presse-Agenturen wie "dpa" oder "ddp"! Jeder Text, der dort erscheint, wird automatisch an viele Zeitungen verteilt. Einziges Problem: Überregionale Agenturen brauchen überregionale Themen und überregionale Ansprechpartner - denn eine Berliner Zeitung wird sich schwerlich für eine Stellungnahme von Smigo München interessieren. Wichtig ist auch der Kontakt zur Lokal-Presse, weil durch örtlichen Bezug leichter zu interessieren. Erst in dritter Linie kommen dann die überregionalen Zeitungen und Zeitschriften.
Wer nicht gleich an die (große) Presse ran will, kann auch spezielle Info-Texte (zum Beispiel Flyer) für bestimmte Zielgruppen (Sozialarbeiter, Pädagogen, Polizei und ähnliches) verfassen und gezielt verteilen.
Beim Aufbau eines Presseverteilers einfach in den Redaktionen anrufen und fragen, welcher Journalist für ein Thema wie SM zuständig ist. Das ist wahrscheinlich keiner so direkt, aber man bekommt dann schon jemanden genannt, in dessen Bereich das Thema irgendwie paßt.
Eine Kooperation hinsichtlich geeigneter Texte und Anlässe für Pressemitteilungen ist schwierig, weil man kaum verschiedene Meinungen auf einer Liste oder in größerer Runde unter einen Hut kriegt. Hier bieten sich im Einzelfall nur kleinere Kooperationen zwischen den "Presse-Beauftragten" einzelner SM-Gruppen an. Im Regelfall wird wohl jede Gruppe ihre eigenen Pressemitteilungen verfassen und sollte deshalb die hierin enthaltenen Meinungsäußerungen nicht "im Namen aller SMler in Deutschland" vornehmen. Besser sind sowieso Tatsachen als Inhalt einer Pressemitteilung. Jede Meinung wird in Form eines Zitats zur Tatsache.
Falls SM-Gruppen, die Pressearbeit machen möchten, keine eigenen Mitglieder hat, die offen (mit Namen und gegebenenfalls Bild) als Ansprechpartner zur Verfügung stehen wollen oder können, so bietet sich auch hier die Kooperation mit einer benachbarten Gruppe an. Ein Mangel an einem Ansprechpartner sollte jedenfalls kein Grund für diese Gruppe sein, auf Leserbriefe und eigene Pressemitteilungen zu verzichten.
Die beste Pressemitteilung ist ein Text, der wie ein Artikel geschrieben ist, allen journalistischen Ansprüchen genügt und auch die Interessen der Presse berücksichtigt. Die Mühe lohnt sich: Je eher ein Text dem entspricht, wie sich der Redakteur einen guten Artikel vorstellt, um so größer ist die Wahrscheinlichkeit, daß er wortgetreu abgedruckt wird - auch Journalisten sind dankbar, wenn sie sich in ihrer 50-Stunden-Woche etwas Arbeit sparen können.
Die Grundregeln für einen guten Text kann man erlernen. Die großen Tageszeitungen und Magazine sind dabei allerdings nicht unbedingt gute Lehrer; dafür werden dort zu viele schlechte Texte abgedruckt. Wer sich mit dem Thema näher beschäftigen möchte, für den gibt es Fachliteratur - mehr dazu unten.
Also nicht:
Über 400 Besucher kamen zum Sommerfest der BDSM-Gruppe Möppelsdorf, die das Fest ursprünglich bereits im Juli machen wollte, aber die Veranstaltung wegen des anhaltenden Regens absagen mußte, und dadurch in finanzielle Schwierigkeiten geraten war, weil die Pacht für die Festwiese dennoch bezahlt werden mußte.
Sondern:
Über 400 Besucher kamen zum Sommerfest der BDSM-Gruppe Möppelsdorf. Ursprünglich hätte das Fest bereits im Juli stattfinden sollen; wegen des anhaltenden Regens mußte die Gruppe die Veranstaltung damals jedoch absagen. In der Folgezeit war BDSM Möppelsdorf dadurch in finanzielle Schwierigkeiten geraten, da die Pacht für die Festwiese trotz Absage bezahlt werden mußte.
Also nicht:
Die Sprecherin der BDSM-Gruppe Möppelsdorf, die gestern mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet wurde, konnte der Verleihung wegen ihres Schnupfens nicht beiwohnen.
Sondern:
Die Sprecherin der BDSM-Gruppe Möppelsdorf trägt seit gestern das Bundesverdienstkreuz! Wegen ihres Schnupfens konnte sie der Verleihung jedoch nicht beiwohnen.
Also nicht:
Das Sommerfest der BDSM-Gruppe Möppelsdorf, die vor drei Jahren gegründet wurde und jeden Mittwoch einem Stammtisch einlädt, der regelmäßig von 30 bis 45 Personen jeden Alters besucht wird, fällt aus.
Sondern:
Das Sommerfest der BDSM-Gruppe Möppelsdorf fällt aus. Die Gruppe entstand vor etwa drei Jahren und veranstaltet jeden Mittwoch einem Stammtisch, der regelmäßig von 30 bis 45 Personen jeden Alters besucht wird.
Also nicht:
Das von über 400 Personen besuchte erste Sommerfest der vor drei Jahren gegründeten BDSM-Gruppe Möppelsdorf wurde von der mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichneten Gruppensprecherin Birgit Kleinkern organisiert.
Sondern:
Organisiert wurde das Sommerfest von einer Trägerin des Bundesverdienstkreuzes, nämlich der Gruppensprecherin Birgit Kleinkern. Über 400 Gäste kamen zu diesem ersten Sommerfest der BDSM-Gruppe Möppelsdorf. Die Gruppe selbst gibt es seit drei Jahren.
(Eine Regel, die von der "dpa" mit Vorliebe verletzt wird.)
Also nicht:
Die Möppelsdorferin Birgit Kleinkern, Sprecherin und Gründungsmitglied der vor drei Jahren gegründeten BDSM-Gruppe Möppelsdorf und bekannt durch ihre Mitarbeit an dem Buch "Pervers - was nun?", erhält für ihr Engagement in der SM-Szene das Bundesverdienstkreuz .
Sondern:
Die Möppelsdorferin Birgit Kleinkern erhält das Bundesverdienstkreuz. Grund für die Auszeichnung: Ihr Engagement in der SM-Szene. Kleinkern ist Sprecherin der BDSM-Gruppe Möppelsdorf und bekannt durch ihre Mitarbeit an dem Buch "Pervers - was nun?". Darüber hinaus war sie vor drei Jahren eines der Gründungsmitglieder der BDSM-Gruppe Möppelsdorf.
Also nicht:
Mit dem Sommerfest, zu dem über 400 Besucher kamen, hat die Gruppe BDSM Möppelsdorf bewiesen, daß SMler keine Randgruppe sind.
Sondern:
Über 400 Besucher kamen zum Sommerfest der Gruppe BDSM Möppelsdorf. "Damit haben wir bewiesen, daß SMler keine Randgruppe sind", freut sich Gruppensprecherin Birgit Kleinkern.
(Ein Negativbeispiel entfällt aus Platzgründen.)
Also nicht:
Laut einer Zählung Birgit Kleinkern und Peter Müller gibt es in Möppelsdorf etwa 600 SMler.
Sondern:
Laut einer Zählung von Birgit Kleinkern, der Sprecherin der BDSM-Gruppe Möppelsdorf, und Peter Müller, dem Inhaber der örtlichen Erotik-Boutique, gibt es in Möppelsdorf etwa 600 SMler.
Oder noch besser:
In Möppelsdorf gibt es 600 SMler: Das ist das Ergebnis einer Zählung von Birgit Kleinkern, der Sprecherin der BDSM-Gruppe Möppelsdorf, und Peter Müller, dem Inhaber der örtlichen Erotik-Boutique.
Also nicht:
Birgit Kleinkern machte eine Aufzählung der Vorstellungen der Gruppenmitglieder
Sondern:
Birgit Kleinkern zählte auf, was sich die Gruppenmitglieder vorstellen.
Also nicht:
In keiner Gemeinde gibt es so viel SMler wie in Möppelsdorf.
Sondern:
In keiner Gemeinde gibt es so viel SMler wie in Möppelsdorf. (laut einer Untersuchung des Statistischen Bundesamtes im vergangenen Jahr)
Zusätzlich können Querverweise auf Bücher oder Homepages nützlich sein.
Zuletzt gilt: Lieber Stichpunkte als ein gut gemeinter, aber schlecht formulierter Text. Besonders bei Terminen bietet sich das an.
Schneider, Wolf: Deutsch für Profis.
Goldmann Verlag, 1999, 268 Seiten.
Reiners, Ludwig: Stilfibel. Der sichere Weg zum guten Deutsch.
C.H.Beck Verlag, 2001, 239 Seiten.
Reiners, Ludwig: Stilkunst. Ein Lehrbuch deutscher Prosa. C.H.Beck Verlag, 1991, 542 Seiten.
Schneider, Wolf: Deutsch für Kenner. Die neue Stilkunde. Piper Verlag, 1996, 396 Seiten.
Schneider, Wolf: Deutsch fürs Leben. Was die Schule zu lehren vergaß. Rowohlt, 1994, 222 Seiten.
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