Was Neulinge wissen sollten
Du wolltest schon immer mal deinen Partner fesseln. Oder er hat dich darauf angesprochen, dich darum gebeten, ihn mal mit verbundenen Augen zu nehmen. Oder auf das Bett zu binden oder ihm vielleicht - ganz liebevoll - den Hintern zu versohlen.
Und auch du hättest Lust dazu, nur keine rechte Ahnung, wie man sowas macht. Deine Aufklärung war zwar ziemlich gut, aber über Sadomasochismus hat man dir nichts erzählt ...
Vielleicht würdest du dich selbst gar nicht als Sadomasochist oder Sadomasochistin bezeichnen. Vielleicht ist Fesseln oder Augenverbinden nur etwas, was ihr hin und wieder zur Abwechslung macht. Eigentlich ist der Name egal. Tatsache ist, daß die Phantasie, seinem Partner für eine begrenzte Zeit die Macht über sich zu geben, so alt ist wie die Menschheit. Vor 100 Jahren hat der Westen dafür den Namen Sadomasochismus erfunden und mit einem Tabu belegt. Andere Kulturen, wie die Japaner, haben damit weniger Probleme. Für sie ist das einfach nur Sex.
Dieser Text ist von Leuten geschrieben worden, die eine besondere Neigung zu dieser Art von Sex haben und eine gewisse Erfahrung mitbringen. Er ist für Leute geschrieben worden, die nicht oder noch nicht viel damit zu tun hatten, solche Spiele ausprobieren wollen oder einfach nur neugierig sind. Denn sadomasochistische Praktiken werden wieder zunehmend als normaler Teil der Sexualität akzeptiert. Mehr und mehr Leute probieren sie aus, manchmal ohne die grundlegenden Sicherheitsregeln zu kennen. Um das zu ändern, haben wir diesen Text mit Sicherheitsregeln zusammengestellt.
Er soll Neulingen einen erfreulichen Start in die Entdeckung eines anderen Aspekts der Sexualität ermöglichen, was natürlich auch bedeutet, daß es außer den hier angesprochenen noch viele andere Spielweisen gibt. Er kann und soll eine eigene kritische Risikoabschätzung auf keinen Fall ersetzen - genausowenig wie er ein vollständiges Sicherheitsbrevier ist - aber er bietet eine Sammlung von Faustregeln, die sich bewährt haben.
Dabei sind wir bei den "Grundpraktiken" geblieben - fesseln, Augen verbinden, knebeln und etwas schlagen. Damit soll ein erster lustvoller Start ermöglicht werden, ohne daß die Angst vor Zwischenfällen - oder sogar wirkliche Unfälle - den Spaß verderben.
Um mal Douglas Adams zu zitieren:
Don't panic! |
SM wird viel zu häufig als prinzipiell gefahrvoll bezeichnet. Reißerische Artikel über "Sadomasos", die bei ihren blutigen Praktiken sterben, können einem schon Angst einjagen. In der Realität bestehen ähnlich wie beim Sport gewisse Risiken, die aber durch ein verantwortungsvolles Herangehen und Information minimiert werden können.
Wer zum ersten Mal einen Text über sadomasochistische Praktiken liest, hat zuerst das Problem, wie man was nennt. Viele Leute schreckt schon allein das Wort Sadomasochismus ab. In Ermangelung eines weniger vorbelasteten Begriffs fassen wir hier trotzdem einfach alles unter SM zusammen. Statt den Sex ohne SM Anteile "normal" oder "üblich" zu nennen, sagen wir in diesem Text dazu Vanille. Den aktiven, ausführenden, kontrollierenden Teil nennen wir Top , den passiven, empfangenden, kontrollierten Teil Bottom. Diese Rollen können natürlich wechseln, was man dann Switchen nennt.
Und damit hat man fast schon mehr Begriffe, als man braucht.
Dieser Text benutzt der Einfachheit halber die männlichen Formen. Natürlich kann jedes Geschlecht in jeder Kombination jede Rolle annehmen.
Alle SM-Spiele, vom einfachen Festhalten bis hin zu den ausgefallensten Fesselspielen, basieren auf vier Grundsätzen: Freiwilligkeit, Vertrauen, Verantwortung und Kommunikation .
Freiwilligkeit heißt, daß der Top niemals etwas gegen den Willen des Bottoms tut. Das heißt auch, daß der Bottom zu jeder Zeit aus dem Spiel aussteigen kann (der Top natürlich auch). Freiwilligkeit ist in jedem Fall die Grundlage des SM. Sadomasochismus ohne Freiwilligkeit ist nackte Gewalt.
Vertrauen bedeutet die Bereitschaft, sich in die Hände seines Partners zu legen. Vertrauen ist das Wissen, daß man nicht wirklich zu Schaden kommen wird, und ein Gefühl der Geborgenheit. Ist kein Vertrauen da, darf man nicht spielen. Der Bottom muß sich fallen lassen können in dem Wissen, daß der Top ihn immer auffangen wird. Der Top muß bereit und fähig sein, diese Verantwortung für Leib und Seele des Bottoms zu übernehmen, was zumindest eine gewisse Reife voraussetzt. Vertrauen und Verantwortung gehören zusammen, sie sind so etwas wie das Yin und Yang des Sadomasochismus.
Bevor man sich auf ein SM-Spiel mit jemandem einläßt, sollte man sich fragen, ob man dieser Person vertrauen kann. Ist er fähig, die Verantwortung für mich zu übernehmen? Würde er etwas gegen meinen Willen tun, wenn ich hilflos bin? Auf der anderen Seite sollte sich auch der Tops einen Bottom genau anschauen. Wirkt er emotional labil oder selbstzerstörerisch? Man sollte es sich gut überlegen, ob man SM mit Fremden praktiziert - selbst wenn man das Gefühl hat, niemanden Vertrautes zu haben, mit dem man es ausprobieren kann.
Was macht man, wenn man diesen Freund gefunden hat oder immer schon hatte?
Reden. Viel reden.
Viele Leute wollen das nicht hören. Sie haben die Vorstellung, daß Sex immer spontan sein muß und daß Worte diese Spontanität zerstören würden - was häufig genug auch stimmt. Wenn man es allerdings mal über sich gebracht hat, ist es in der Regel für den Top viel leichter, ein Spiel zu gestalten, das beiden gefällt, weil er eine gewisse Vorstellung von den Grenzen hat, in denen er sich bewegen kann.
Viele sprechen einfach nie mit ihrem Partner über Sex. Tatsächlich sind die Phantasien zweier Menschen aber häufig - gerade am Anfang - so unterschiedlich, daß schon "Fesseln" für jeden etwas anderes bedeuten kann. Kommunikation ist eine Grundbedingung für SM - wenn man nicht miteinander reden kann, steigt die Gefahr, daß das Spiel schiefgeht.
Das heißt jetzt nicht, daß man sich vorher mit Block und Bleistift hinsetzen muß, um einen Plan zu machen, was wann wie passieren soll. Es heißt, daß man irgendwann über seine Wünsche, Abneigungen und Phantasien spricht. Über das, was man gerne hätte und was man auf keinen Fall haben will, was man sich schon immer vorgestellt hat und was man dabei für Ängste hat. Das kann nach dem Vanille-Sex sein, beim sprichwörtlichen Blick in die untergehende Sonne oder ganz banal während einer Werbepause im Fernsehen, wenn man will. Hauptsache, man tut es.
Wer sich zum ersten Mal so ausspricht, findet es meist peinlich und umständlich. Mit der Zeit gewöhnt man sich daran. Irgendwann wird es natürlich, mit dem Partner über seine Phantasien zu reden - man lernt, auch über vermeintlich Peinliches zu reden. Die Summe solcher Absprachen bildet über die Zeit eine immer größere Basis, auf die man immer wieder zurückgreifen kann. Man versteht sich dann auch ohne Worte immer besser.
Natürlich gibt es auch Leute, die sich schon so gut kennen oder so gut verstehen, daß sie ohne solche Absprachen auskommen. Wenn das beider Wille ist, dann ist es selbstverständlich auch in Ordnung. Man muß aber ehrlich gegen sich bleiben: sich aus dem Gefühl der Peinlichkeit heraus einzureden, daß man "schon keine Absprachen braucht" ist keine besonders gute Idee. Das von manchen Tops geäußerte "Bei mir brauchst du sowas nicht" ist ein Indiz, daß man sich nochmal überlegen sollte, ob man sich wirklich in die Hände dieses Menschen begeben will.
Mindestens sollte man klären, ob Bedarf an expliziten Absprachen besteht.
Eine Sache sollte man auf jeden Fall absprechen: ob man ein " Sicherheitswort ", auch Safeword genannt, benutzen will. Mit dem Safeword (Beispiel: "Mayday") kann der Bottom in einem Notfall den Top wissen lassen, daß er das Spiel sofort abbrechen will. Fällt das Safeword, muß der Top sofort das Spiel unterbrechen und den Bottom befreien. Umgekehrt kann es Situationen geben, wo das Safeword vom Top kommt.
Es ist so etwas wie eine Notbremse oder ein Reservefallschirm: Man hat ihn mit, aber man wird ihn hoffentlich nie brauchen. Und wie eine Notbremse darf man ihn nie mißbrauchen. Der Bottom muß sich darauf verlassen können, bei einem Safeword sofort frei zu kommen, der Top, daß es sich bei einem Safeword um einen wirklichen Notfall handelt. Ein nützlicher Nebeneffekt von Safewords ist, daß man als Bottom hemmungslos "Nein" oder "Stop" schreien kann, ohne den Top zu verwirren. Bewährt hat sich der Ampelcode : "grün" bedeutet "alles im grünen Bereich", "gelb": "es wird langsam kritisch, bitte nicht mehr allzuviel davon oder ein bißchen langsamer" und "rot" "sofort aufhören!".
Durch die starken Emotionen, die ein SM-Spiel auslösen kann, kann es passieren, dass einer der Beteiligten vergisst, sein Safeword auszusprechen, auch wenn er es im Rückblick betrachtet lieber getan hätte. Daher kann ein Safeword nur als zusätzliche Absicherung verstanden werden, ein hundertprozentiger Schutzmechanismus kann es nicht sein.
Anmerkung: Wenn man Absprachen getroffen hat, was man wie machen möchte oder auch nicht und wenn man mit den Reaktionen des Partners sehr vertraut ist, dann kann man natürlich auch ohne Safeword spielen. Nicht wenige Paare tun es, und leben gut damit.
Allerdings wird teilweise daraus der Umkehrschluss gezogen, Safewords seien "nur was für Anfänger" - oder gar auf der Seite des Bottoms ein Zeichen mangelnder Hingabe. Das stimmt so nicht, und es ist ein schlechtes Zeichen, wenn einer der Beteiligten dem anderen die Festlegung eines Safewords ausreden will.
Die erste Reaktion von jemanden, der Fesselspiele machen will, ist, daß er zum Kleiderschrank geht und seine Seidenschals herausholt - es sieht toll aus und im Fernsehen tun das schließlich auch alle.
Seidenschals sind allerdings ziemlich ungeeignet. Die Knoten sind schwer aufzukriegen (wie bei Strümpfen, die man auch nicht verwenden sollte) und das Material kann in die Haut schneiden. Seidenschals sollte man sich lieber für Augenbinden aufheben.
Seile sollten weich sein und mindestens einen Durchmesser von 8 mm haben. Baumwollseile sind weich, aber die Knoten lassen sich schwer öffnen und die Enden können leicht aufribbeln. Bei Nylonseilen sind die Knoten leichter zu lösen und die Enden kann man mit einem Feuerzeug zusammenschmelzen. Sie sind allerdings etwas härter. Eine gute, aber teure Alternative sind Bergsteigerseile. Hanf und andere Materialien wie Sisal sind den meisten Leute zu rauh.
Bei Handschellen sollte man als Anfänger vorsichtig sein: Die Ränder können auf Nerven drücken und dadurch bleibende Lähmungen verursachen und viele Leute reagieren allergisch auf Nickel oder Chrom. Gute Handschellen müssen nicht nur einschnappen, sondern sich auch noch sicher "arretieren" lassen, damit sie nicht beim Tragen enger werden. Gute Handschellen gibt es ab ca. 30 DM (Stand '99).
Auch bei Seilen muß man immer darauf achten, daß man keine Arterien, Venen oder Nerven abschnürt. Diese "Leitungsbahnen" verlaufen bevorzugt an der Innenseite von Gelenken .
Wenn man die Handgelenke in einer sogenannten "Acht" zusammenbindet, kann man das recht sicher vermeiden. Dabei werden die Innenseiten der Handgelenke Fingerspitze zu Fingerspitze aneinander gelegt und mit einem Seil mehrfach umwickelt. Anschließend zieht man im rechten Winkel dazu weitere Schlingen um diese Wicklungen zwischen den Handgelenken. Das Ergebnis ist eine stramme Fesselung, bei der die Leitungsbahnen keinem direkten Druck durch die Stricke ausgesetzt sind.
Man sollte immer mehrere Wicklungen verwenden, damit der Druck auf eine größere Fläche verteilt wird. Es sollte auch immer möglich sein, einen Finger (und sei es nur der kleine) unter die Wicklungen zu schieben. Bei jedem Fesselspiel sollte man ein Schneidewerkzeug zur Hand haben, um im Notfall den Bottom schnell befreien zu können. Besser als ein Messer ist eine kräftige Schere.
Wird ein Glied einer gefesselten Person blau, kalt oder taub, ist sie sofort loszubinden. Um das festzustellen, muß der Top in regelmäßigen Abständen nachfühlen und der Bottom sich probeweise bewegen.
Den sichersten Schutz vor Verletzungen bieten gute Ledermanschetten. Richtig konstruierte Manschetten schützen das Handgelenk und verteilen Zug und Druck gleichmäßig auf die robusten Teile der Gelenke. Meist sind sie auch mit Ringen versehen, an denen man schnellöffnende Verschlüsse wie Karabinerhaken befestigen kann. Bei guter Pflege halten sie Jahre. Viele Lederläden stellen nach Maß gefertigte Manschetten für einen fairen Preis her.
Bei Handmanschetten kann man Karabinerhaken oder noch besser Panikhaken verwenden, die sich beide in einem Notfall schnell öffnen lassen. Panikhaken sind Verschlüsse, die sich auch unter starkem Zug öffnen lassen, was bei Karabinerhaken meist unmöglich ist. Man bekommt sie in Reitsportgeschäften oder Baumärkten. Wenn nicht, kann wieder eine der unten genannten Gruppen helfen.
Jeder, egal wie groß, stark und gesund, kann durch Kreislaufprobleme ohnmächtig werden. Damit muß der Top rechnen und sich vorher überlegen, wie er den Bottom auch ohne dessen Mithilfe schnell befreien kann. Besondere Gefahren bestehen, wenn der Hals durch Seile oder Halsbänder fixiert ist.
Einige Sachen darf man auf keinen Fall machen:Niemals eine Person fesseln, die zu epileptischen Anfällen neigt. Schon ungefesselt kann man sich bei einem Krampfanfall schwere Verletzungen zuziehen. Ist der Betroffene gefesselt, kann es zu Knochenbrüchen und Muskelzerreißungen kommen.
Der Hals ist ein sehr empfindliches Gebiet. Druck auf den Hals kann dazu führen, daß der Blutdruck schlagartig abfällt. Spiele, die den Hals einschließen, bleiben erfahrenen Personen vorbehalten. Auch wer keine solchen Phantasien hat, sollte beim Kauf und Einsatz von Halsbändern darauf achten, daß sie nicht einschneiden oder würgen.
Niemals eine gefesselte Person alleine lassen, auch nicht für kurze Zeit. Eine gefesselte Person kann sich weder wehren noch in Sicherheit bringen. Aus dem gleichen Grund soll man sich niemals selbst fesseln, wenn kein potentieller Retter in der Nähe ist. Krämpfe und Panikanfälle können völlig überraschend kommen.
Niemals jemanden mit dem Gesicht nach unten auf eine weiche Unterlage binden. Die Gefahr des Erstickens ist zu groß. Das gilt besonders für geknebelte Personen.
Niemals jemanden an einem Körperteil aufhängen. Das sogenannte Suspension Bondage ist nur mit spezieller Ausrüstung und sehr viel Erfahrung sicher möglich, egal, was man in Filmen sieht.
Augenbinden dürfen keinen Druck auf das Auge selbst ausüben, besonders dann nicht, wenn der Bottom Kontaktlinsen trägt. Ist man unsicher,sollte man als Top fragen, wovon genau das Funkeln in den Augen des Bottoms kommt.
Bei Knebeln gibt es zwei Hauptgefahren: Unterbrechung der Luftzufuhr und Auslösen des Würgereflexes. Um den letzteren zu vermeiden, muß man dafür sorgen, daß kein Teil des Knebels aus dem Mundraum nach hinten in den Rachen rutschen kann. Bei jedem Knebel muß außerdem immer die Nasenatmung unbehindert sein. Relativ sicher sind Knebel, bei denen ein Stück Stoff quer durch den Mund gezogen wird, bei denen der Bottom also immer am Knebel vorbei atmen kann.
Geknebelte Personen brauchen eine besondere Form des Safewords. Das kann entweder ein gegrunzter Code sein wie das SOS (drei kurze Laute, mehrfach wiederholt) oder einen Gegenstand, den der Bottom in der Hand hält und der Lärm macht, wenn er ihn fallenläßt.
Bei Schlagspielen kann man Fehler machen. Um sie ungefährlich ausführen zu können, braucht man gewisse Kenntnisse der Anatomie, eine gute Vorstellung von den Tücken der einzelnen Instrumente, und eine saubere, eingeübte Technik. Die kann man aus keinem Buch lernen, egal wie gut es ist: Richtiges Schlagen lernt man nur von einem erfahrenen Lehrer und indem man Sofakissen malträtiert. Danach muß man es vorsichtig soweit möglich an sich selbst (um ein Gefühl für die Stärke zu bekommen) und dann am Bottom üben.
Deswegen wird hier nur die grundlegendste und ungefährlichste Form vorgestellt: Das Spanking, also das Schlagen mit der bloßen Hand.
Die sicherste Region zum Schlagen ist der Hintern. Die empfindlichen Strukturen sind durch den Gesäßmuskel und eine meist auch mehr oder weniger dicke Fettschicht geschützt. Alle anderen Regionen sind gefährlicher, viele Teile des Körper für Schlagspiele absolut tabu (speziell Nierengegend, Hoden, die Wirbelsäule und der Hals).
Das sicherste Schlaginstrument ist die Hand. Schlägt der Top zu fest zu, tut es ihm selbst weh. Deswegen gibt es eine natürliche Grenze der Schlaghärte. Mit der Hand zu schlagen stellt auch wesentlich geringere Anforderungen an die Hand-Augen Koordination.
Viele Schlagspiele beginnen langsam und sinnlich: Den Hintern streicheln, kneten, massieren. Schlagstärke und Häufigkeit werden langsam und vorsichtig gesteigert, während man immer auf die Reaktion des Bottom achtet. Viele Leute stehen weniger auf Schmerzen als auf die Vorstellung, geschlagen zu werden. Wenn man seinen Partner nicht gut kennt, kann es am Anfang schwer sein, die richtige Dosis zu finden. Den Bottom währenddessen nach seinen Empfindungen fragen ist da sehr hilfreich - man kann ihn zum Beispiel auffordern, die Erträglichkeit der Schmerzen bei jedem Schlag auf einer Skala von eins bis zehn einzuordnen.
Für das Spanking wie auch für alle anderen Schlagspiele gilt: wenn man jemanden schlägt, der in der letzten Woche die Kopfschmerzmittel Acetysalizylsäure (Aspirin, ASS) oder Ibuprofen oder andere Gerinnungshemmer eingenommen hat, kann es zu dicken blauen Flecken kommen. Dies gilt für alle Medikamente, bei denen in der Packungsbeilage von einer Herabsetzung der Blutgerinnung gewarnt wird.
Außerhalb der normalen zivilisierten Umgangsregeln behandelt zu werden ist eine weitverbreitete Phantasie. Wie bei allen Spielen, die mehr auf der psychischen als der körperlichen Ebene ablaufen, sind die Gefahren nicht so offensichtlich.
Während viele Menschen die Vorstellung, gedemütigt zu werden, ausgesprochen erregend finden, kommt es bei manchen von ihnen bei der Umsetzung in die Realität zu einem Gefühlsausbruch (Absturz), bei dem versteckte Empfindlichkeiten hochkommen. Die erotische Spannung geht verloren und Ekel und sogar Haß können an ihre Stelle treten.
Um das zu vermeiden ist eine gute Kenntnis seiner selbst und des Partners notwendig. Man sollte sich überlegt haben, ob man das mit genau diesem Partner genau jetzt machen will. Es ist im allgemeinen keine gute Idee, bei solchen Spielen imaginäre oder tatsächliche körperliche Mängel des Partners zu verhöhnen - darauf reagieren beide Geschlechter höchst empfindlich und meist absolut unerotisch.
Zwar kann man Demütigungsspiele langsam anfangen, um sich "heranzutasten", aber das ist schwieriger als zum Beispiel bei Schlagspielen: In dem Moment, wo es unangenehm wird, kann man die Härte der Schläge zurücknehmen; bei einer Demütigungszene wird man wahrscheinlich so viele Gefühle verletzt haben, daß eine Unterbrechung und Trösten angesagt sind. Daher sind Absprachen hier besonders wichtig.
Spiele mit Erniedrigung können Nachwirkungen haben: solange beide noch heiß sind, fühlt es sich gut an, aber am nächsten Tag kommt der Kater. "Hat er das jetzt wirklich so gemeint?", diese Frage kann einem gehörig nachhängen. Daher ist es besonders wichtig, daß der Top den Bottom wieder aufbaut, ihn fühlen lässt, daß die Beschimpfungen, die Demütigungen und verächtlichen Blicke nichts mit den tatsächlichen Gefühlen füreinander zu tun haben.
Und auch Tops hilft es, wenn sie nachher spüren, daß ihr Partner ihnen die Demütigungen nicht nachträgt, es können in der Hitze der Session ja durchaus Worte gefallen sein, die man sich sonst niemals an den Kopf werfen würde.
Es gibt Fälle, wo es beim Top oder Bottom zu einer emotionalen Reaktion auf das Spiel kommt, dem sogenannten "Absturz". Die Gründe dafür sind so verschieden wie die Leute selbst. In diesem Fall sollte man das Spiel sofort abbrechen, den Partner in den Arm nehmen und versuchen herauszufinden, was schief gegangen ist.
Warnzeichen sind ein Bottom, der verstummt, nicht mehr recht reagiert oder plötzlich in Tränen ausbricht. Zwar können Rotz-und-Wasser heulende Bottoms auch grade im Nirvana schweben, aber man sollte sich versichern, daß alles in Ordnung ist. Bleiben Reaktionen aus, hilft nur ein schneller Abbruch und einfühlsames Trösten.
Solche Abstürze sind zwar zum Glück selten, aber leider auch kaum vorhersehbar.
Es ist nicht schlimm, wenn sie vorkommen, schlimm wird es, wenn man unvorbereitet ist.
Besonders am Anfang sind Mißverständnisse und das Gefühl, sich ungeschickt und alles andere als erotisch anzustellen, nicht ganz selten. Man sollte davon ausgehen, daß man das eine oder andere Spiel wird abbrechen müssen, weil etwas nicht so läuft, wie einer der Partner sich das vorgestellt hat. Auch hier gilt: Miteinander reden, so viel wie nur möglich. Dann wird man auch aus diesen Abbrüchen lernen.
Das Verteilen von Schuld ist dabei vollkommen kontraproduktiv, solange es sich nicht um Missachten klarer Abmachungen handelt. In allen andern Fällen sollte man versuchen, stattdessen gemeinsam die Ursachen herausfindet und sich über Strategien unterhalten, die helfen, ein derartiges Fehlspiel in der Zukunft zu vermeiden.
Tritt ein wirklicher Notfall auf, ist zuallererst Ruhe zu bewahren. Bei Verletzungen ohne Zögern die Notaufnahme aufsuchen oder einen Krankenwagen rufen. Notärzte wie auch das Personal von Unfallambulanzen haben in ihrem Leben schon alles gesehen und unterliegen einer einklagbaren Schweigepflicht. Der Leitspruch ist hier lieber blamiert als tot. Immer genau das erzählen, was auch vorgefallen ist. Zu viele Sadomasochisten schicken Ärzte erstmal auf eine Rätselrallye, die nur Zeit kostet, die Behandlung erschwert und den Doktor ärgert. Auch ein mäßiger Arzt wird irgendwann solche Lügen durchschauen. Tatsächlich gilt seit 1994 der Sadomasochismus in der Medizin nicht mehr als krankhaft, auch wenn viele Ärzte das noch nicht wissen werden.
Deshalb: Im Zweifelsfall niemals zögern, professionelle Hilfe aufzusuchen. Diese Regel gilt für den Erfahrensten genauso wie für den Neuling.
Sadomasochismus ist eine spielerische Teilung von Herrschaft und Unterwerfung, keine wirkliche. Wenn nicht ausdrücklich ein anderer Zeitrahmen vereinbart wurde, hört mit dem Ende des Spiels jede Macht des Tops über den Bottom auf.
Die letzte Aufgabe des Tops ist es, den noch in den Wolken schwebenden Bottom sanft wieder auf die Erde zu begleiten, sich um ihn zu kümmern. Irgendwann sollte man darüber sprechen, was wem wie gefallen hat und was nicht: SM ist ein Lernprozeß für beide Seiten. Aber das muß nicht unbedingt sofort sein.
Wie bei den meisten anderen Dingen im Leben kann man sich das Wissen aus Büchern holen oder von anderen Menschen zeigen lassen. Neben Büchern ist das vor allem auch durch das Internet möglich.
Einige der besten deutschsprachigen Bücher über SM und Sicherheit haben wir deshalb unten aufgelistet. Viele Sachen kann man aber besser von einem erfahrenen Menschen lernen. Wo man diese Menschen findet, steht zum Beispiel in der Adressenliste der "Schlagzeilen". Diese Gruppen sind gerne bereit, auch bei anderen Fragen über den Sadomasochismus zu helfen.
Auch bei SM macht - wenn man uns den Witz erlaubt - nur die Übung den Meister. Geht die Sache vorsichtig, langsam und gemeinsam an.
Die meiste Literatur zum Sadomasochismus ist bisher in Englisch, was unter anderem auch daran liegt, daß ihre sadomasochistischen Subkulturen länger organisiert sind als die in Europa.
Grimme, Matthias T.J.: "Das SM-Handbuch".
Charon-Verlag Grimme KG, Hamburg 1996,
ISBN 3-931406-01-6, 250 Seiten. 36 DM
Pat Califia: "Sinnliche Magie - Ein Leitfaden für abenteuerlustige Paare"
ikoo Verlag 1996
ISBN:3-88677-963-7, 176 Seiten, 29,80 DM
(leider schlecht übersetzt)
Grimme, Matthias T.J.: "Das Bondage-Handbuch. Anleitung zum erotischen Fesseln"
Charon-Verlag Grimme KG, Hamburg 1999
ISBN 3-931406-16-4, 240 Seiten, 43 DM
Wer gut genug Englisch kann, sollte sich folgende Bücher anschauen:
Miller, Philip / Devon, Molly: "Screw the Roses, Send Me the Thorns"
Mystic Rose Books, P. O. Box 1036/SMS
Fairfield, CT 06432, USA. ISBN 0-9645960-0-8. US$ 24.95
Wiseman, Jay: "SM 101: A Realistic Introduction"
Greenery Press 1996
ISBN: 0963976389, 391 Seiten, US$ 24.95
Califia, Pat "Sensuous Magic".
Masquerade Books, Inc. 1993, ISBN 1-56333-131-4
Lady Green "The Sexually Dominant Woman: A Handbook for Nervous Beginners".
Greenery Press 1994, ISBN 0-9639763-0-3 US$ 9,95
Die meisten der oben genannten Bücher kann man bei seinem Buchhändler mit der ISBN-Nummer bestellen. Im Zweifelsfall kann eine lokale SM-Gruppe weiterhelfen.
Bücherversandhäuser wie amazon.de, buch.de oder bol.de sind eine diskrete Möglichkeit, sich die Bücher zu besorgen - bei den englischen Titeln sind sie auch meist billiger als der Buchhändler vor Ort.
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