Sadomasochisten können - wie alle anderen Menschen - in Beziehungen geraten, in denen sie missbraucht werden. Da es außerhalb der SM-Subkultur kaum Rollenmodelle für SM-Beziehungen gibt und nicht jeder Teil dieser Subkultur ist, kann es für sie allerdings schwieriger sein, diesen Sachverhalt zu erkennen. Dieser Text soll Sadomasochisten helfen, festzustellen, ob sie in einer solchen Beziehung stecken, und Möglichkeiten aufzeigen, sich daraus zu befreien.
Sadomasochisten selbst wissen, dass ihre Beziehungen sich nicht grundsätzlich von denen zwischen Nichtsadomasochisten (Vanillas) unterscheiden. Sie ziehen aus einer Beziehung ebenso Glück, Geborgenheit und Rückhalt. Wie alle Menschen können Sadomasochisten aber auch in Beziehungen geraten, in denen sie missbraucht, in ihrer Freiheit eingeschränkt oder regelmäßig das Opfer von nicht-einvernehmlicher Gewalt werden.
Es kann für Sadomasochisten schwierig sein zu erkennen, dass sie in einer destruktiven Beziehung stecken. Sie können glauben, dass gewisse Formen des Missbrauchs besonders für Sadomasochisten in der passiven Rolle (Bottoms) "einfach dazugehören", dass die Rechtlosigkeit, die sie in ihren Spielen erleben, auch für die restliche Beziehung gelten muss. Die Glorifizierung solcher Beziehungen in der sadomasochistischen Literatur, in der der Bottom tatsächlich 24 Stunden am Tag, 7 Tage die Woche das willenlose Spielzeug des Sadomasochisten in der aktiven Rolle (Top) ist, wie "Geschichte der O" [DR76] oder "Mr. Benson" [prest], können diesen Glauben noch verstärken. Sadomasochisten, die keinen Anschluss an die organisierte Subkultur haben, kann es außerdem an konstruktiven Vorbildern für ihre eigene Beziehung mangeln.
Die amerikanische National Leather Association, kurz NLA, ist diesem Problem mit ihrem Domestic Violence Education Project entgegen getreten. Sie hat in diesen Rahmen einen Fragenkatalog speziell für Sadomasochisten zusammengestellt, der eine destruktive Beziehung leichter erkennen hilft. Wir haben diese Fragen und die Diskussion zum verwandten Thema Hörigkeit aus der Szene Intern von Anfang 1995 [si.1.95] als Grundlage für unseren Text genommen.
Jeder Mensch kann in eine destruktive Beziehung geraten.
Destruktive Beziehungen sind ein verbreitetes Problem. Mancher kennt aus seinem Bekanntenkreis Beispiele für Beziehungen, die durch einen gewissen Grad von Hörigkeit, Missbrauch oder gar Gewalt gekennzeichnet sind.
Destruktive Beziehungen kann man nicht unbedingt am blauen Auge eines Partners erkennen, es können viel subtilere Mechanismen am Werk sein.
Auch unter Sadomasochisten kommen destruktive Beziehungen vor.
Ein erhöhtes Vorkommen von Missbrauch unter Sadomasochisten ist nicht nachgewiesen. Trotzdem darf das nicht dazu führen, dass Sadomasochisten die Augen davor verschließen, dass auch in ihren Kreisen destruktive Beziehungen auftreten können.
Es gibt keine Gruppe von Sadomasochisten, die für eine destruktive Beziehung besonders anfällig oder aber völlig immun dagegen wäre.
Jeder, ob männlich oder weiblich, homosexuell oder heterosexuell, Top oder Bottom, kann Opfer körperlicher oder psychischer Gewalt in einer Beziehung werden. In westlichen Gesellschaften wird meist nicht akzeptiert, dass auch Männer Opfer sein können; in der sadomasochistischen Subkultur wird zu wenig daran gedacht, dass auch Tops in destruktiven Beziehungen gefangen sein können.
Ehemalige Gewaltopfer sind besonders gefährdet.
Wer in seiner Jugend schon Opfer von Gewalt oder sexuellem Missbrauch wurde, hat ein deutlich höheres Risiko, später Täter oder Opfer in einer destruktiven Beziehung zu werden. Wer sich dessen bewusst ist, hat eine bessere Chance, Beziehungen kritisch zu prüfen, bevor er in einer destruktiven Beziehung landet.
Eine sadomasochistische Beziehung funktioniert prinzipiell nicht anders als eine nichtsadomasochistische: Jede Beziehung sollte sich durch gegenseitigen Respekt, durch Vertrauen und Verantwortung für sich und den Partner auszeichnen. Eine Beziehung muss ein Ort sein, an dem man sich sicher, geborgen und verstanden fühlt. Kein Partner ist "wertvoller" oder "wichtiger" als der andere, beide sind gleichberechtigt.
Die Besonderheit in einer sadomasochistischen Beziehung ist die Machtverteilung während des Spiels. (In diesem Text verwenden wir, wie überall auf den Datenschlag-Seiten, den Ausdruck "Spiel" für SM-Interaktionen. Diese Bezeichnung sagt nichts über die Ernsthaftigkeit oder emotionale Tiefe dieser Handlungen aus; eine ausführlichere Erörterung findet sich unter www.datenschlag.org/papiertiger/lexikon/spiel.html.)
Alle Sadomasochisten sind gleich, nur während eines Spiels sind einige gleicher als andere.
Ein Spiel ist ein Ausnahmezustand, auf den man sich nur unter kontrollierten Bedingungen und freiwillig einlässt. Viele Sadomasochisten ziehen es vor, wenn ein Spiel einen klaren Anfang und ein klares Ende hat. Das Geschehen während eines Spiels wird durch Grenzen bestimmt, die Bottom und Top vorher festgelegt haben. Fällt das Safeword, muss es bedingungslos respektiert werden. Manche Tops versuchen, unerfahreneren Bottoms einzureden, bei ihnen sei die Verabredung eines Safewords "nicht nötig" oder "nur was für Möchtegern-SMler". Wird das Spielen ohne Safeword gefordert, sollte der Bottom hellhörig werden.
Ganz gleich, welche Praktiken während eines Spiels zugelassen sind, ganz gleich, wie sehr sich der Bottom durch sie erniedrigen, quälen oder zu einem Lustobjekt machen lässt, sie sind auf die Zeit des Spiels begrenzt und basieren auf gegenseitigem Einverständnis. Außerhalb der Grenzen des Spiels stellen dieselben Praktiken Psychoterror, Körperverletzung und Vergewaltigung dar. Psychoterror gehört nicht zum Sadomasochismus, Körperverletzung gehört nicht zum Sadomasochismus, erzwungener Sex gehört nicht zum Sadomasochismus.
Das oben Gesagte gilt sinngemäß auch für Sadomasochisten in einer Beziehung, in der die Top- und Bottomrollen jederzeit präsent sein können (Livestyle-, 24/7-Beziehungen) . Auch hier begeben sich die Partner freiwillig in die Rolle und haben Möglichkeiten, Probleme offen zu kommunizieren, ohne dass ihnen die Rollen im Weg stehen.
Gewalt hat so wenig mit Sadomasochismus zu tun wie Vergewaltigungen mit Liebe.
Kein Bottom darf gezwungen werden, immer unterwürfig zu sein, kein Top dazu, immer stark aufzutreten. Ein Bottom muss seine Persönlichkeit entfalten können, ohne auf Widerstand zu stoßen; ein Top muss auch Schwäche zeigen können, ohne Hohn erwarten zu müssen.
Geliebt wird man dort, wo man Schwäche zeigen kann, ohne Stärke zu provozieren.
Manche Sadomasochisten bezeichnen viele der obigen Gedanken als "verweichlichten" oder gar "falschen" Sadomasochismus. "Echte Sadomasochisten" benutzen kein Safeword, hört man von ihnen, leben immer als "echt veranlagte" Tops oder Bottoms in ihren Rollen. Es werden Worte wie "Poser" für Sadomasochisten benutzt, die als Tops auch zärtlich zu ihren Bottoms sind oder für Bottoms, die es wagen, eine eigene Meinung zu haben. Unerfahrene Sadomasochisten können dazu verleitet werden, diesen Selbstdarstellungen zu glauben und leichter in destruktive Beziehungen rutschen.
Der Katalog der National Leather Association umfasst Fragen zu den Themenbereichen :
Zu den klassischen Methoden der Gehirnwäsche gehört es, das Opfer zu isolieren und ihm den Zugang zu Ressourcen zu verweigern. Diese Mechanismen werden häufig in destruktiven Beziehungen bewusst oder unbewusst angewendet.
Die folgenden Fragen betreffen nicht nur sadomasochistische Beziehungen, sondern alle Beziehungen. Einige haben aber für Sadomasochisten eine besondere Bedeutung, wie Fragen des Vertrauens oder der Fähigkeit, mit dem Partner zu reden; sie werden deshalb besonders unter diesem Gesichtspunkt besprochen.
Auch wenn in einem Spiel der Bottom dem Top gewisse Rechte einräumt, ist nicht alles erlaubt. Auch der Bottom hat nicht das Recht, alles und jedes vom Top zu verlangen.
Die Anwendung sadomasochistischer Praktiken, ob körperlicher oder psychischer Art, ist nur innerhalb von SM-Situationen zulässig und darf aus deren Grenzen nicht ausbrechen. Auch in Lifestyle-Beziehungen, also solchen, in denen das alltägliche Zusammenleben als ein durchgehendes Spiel gesehen wird, gibt es Situationen und Zeitpunkte, wo eine Rückkehr zur Normalität ansteht. Jeder Sadomasochist muss durch sein Verhalten beweisen, dass er den Unterschied zwischen Spiel und Realität erkennt, versteht und respektiert.
Jeder Mensch hat Grenzen. Manche Bottoms behaupten zwar von sich, sie seien bessere Bottoms, weil sie keine Grenzen hätten. Diese Form von narzisstischer Angeberei kann jedoch meist dadurch beendet werden, dass der Top mit einer Kettensäge den Raum betritt. Zu seinen Grenzen zu stehen und sie äußern zu können ist ein Zeichen persönlicher Stärke, nicht Schwäche.
Die vorherige Vereinbarung von Grenzen, die Absprache, ist die zentrale Methode der Vorbeugung von Missverständnissen, Abstürzen und Verletzungen.
Das Safeword ist der zentrale Sicherheitsmechanismus während eines Spiels selbst. Manche Tops verlangen von ihren Bottoms, dass sie ohne Safeword spielen, weil sie sonst nicht das Gefühl hätten, dass man ihnen vertrauen würde. In einigen Fällen wird das sogar als Bedingung für ein Spiel angegeben. Solche Tops haben vergessen, dass Vertrauen ein Geschenk eines Bottoms an seinen Top ist, das der Top sich verdienen muss und nicht etwas, worauf der Top ein Geburtsrecht hat.
Umgekehrt gibt es viele Bottoms, die von sich aus den Verzicht auf ein Safeword vorschlagen oder verlangen. Dies kann Tops, die sich noch nicht so ganz sattelfest fühlen in ein Dilemma stürzen: zuzugeben, daß sie sich unsicher fühlen oder sich über ihre Bedenken hinwegsetzen. Meist kann dies in einem Gespräch geklärt werden - zum Problem wird es dann, wenn der Bottom versucht, den Top unter Druck zu setzen oder zu manipulieren.
Es gibt Sadomasochisten die betonen, dass sie ohne Safeword spielen, meist mit dem Zusatz, dass man nur so "echten" Sadomasochismus betreiben könne. Meist handelt es sich hierbei nur um eine Verwechslung der Begriffe Slowword und Safeword. Mit einem Slowword (wie rot, gelb, grün) kann der Bottom die Intensität eines Spiels steuern, eine Möglichkeit, die mit der "Aufgabe des Safeword" meist gemeint ist. Ein Safeword dagegen hat den Sinn, das Spiel in einem Notfall zu unterbrechen - bei einem Krampf, wenn das Haus Feuer fängt, drohendes Erbrechen hinter einem Knebel oder die Schwiegermutter, die hinter dem Top durch die Tür kommt. Hierzu muss auch nicht unbedingt ein spezieller Begriff verwendet werden - wenn man sich kennt reicht es, "ähm wart mal, das ist grade gar nicht gut" zu sagen, und der Partner weiß daß etwas schief läuft.
Die wenigsten Paare, die behaupten, "ohne" zu spielen, würden tatsächlich ein Safeword ignorieren - häufig haben sie deswegen kein spezifisches Safeword, weil sie den Partner gut genug kennen, um zu wissen, dass er auch ohne ritualisiertes Safeword in einem Notfall abbrechen würde. Hat man hingegen das Gefühl, nicht zu wissen, ob man dem anderen eine Notfallsituation mitteilen könnte und zusätzlich kein Safeword vereinbart, dann sollte das zu denken geben.
Die Aufgabe des Slowwords ist etwas, was der Bottom immer aus freien Stücken und ohne Zwang dem Top anbieten muss. Das Vertrauen, das zu einem solchen Angebot führen kann, muss sich der Top verdienen, er kann es niemals verlangen. Ein Bottom vertraut dem Top, dass dieser immer das Safeword respektieren wird; ein Top vertraut dem Bottom, dass er ein Safeword nur bei wirklichen Notfällen verwenden wird. Ist dieses Vertrauen auf der einen oder anderen Seite nicht gegeben, ist ein Spiel und erst recht eine Beziehung nicht sinnvoll. Verlangt ein Top den Verzicht auf das Safeword, ist das ein deutliches Alarmsignal.
Auch Tops haben ihre Grenzen. Ob sie darin bestehen, dass man bestimmte Praktiken nicht mag oder sich mit der Verantwortung einer 24/7-Beziehung überfordert fühlt, ist dabei egal. Wichtig ist, dass die Grenzen des Tops vom Bottom respektiert werden - gerade dann, wenn dessen Grenzen weiter gesteckt sind.
Sadomasochisten sollten jetzt den Fragenkatalog nochmal durchgehen und diesmal nur die Fragen zu beantworten versuchen. Wenn man eine oder gar mehrere Fragen mit ja beantworten kann, liegen Anzeichen für eine destruktive Beziehung vor. Die Vielfalt der möglichen SM-Beziehungsformen ist allerdings sehr groß - es gibt durchaus glückliche, funktionale Beziehungen, in denen einer oder mehrere dieser Punkte zutreffen können. Mindestens aber sollten diese Punkte dann zum Anlass genommen werden, sehr genau über die Beziehung nachzudenken:
Es ist sinnvoll, sich diese Fragen immer wieder zu stellen - Menschen ändern sich und Beziehungen ändern sich.
Für Vanillas existieren eine Reihe von offiziellen Anlaufstellen, um aus destruktiven Beziehungen zu entkommen, die meistens allerdings Frauen vorbehalten sind. Sadomasochisten können zögern, diese Organisationen in Anspruch zu nehmen, weil sie befürchten, als "Perverse" abgewiesen zu werden oder dass rechtliche Schritte gegen sie eingeleitet werden könnten.
Dazu muss gesagt werden: Die juristische Stellung des einvernehmlichen, sprich auf freiwilligem Handeln beruhenden Sadomasochismus ist in Deutschland gesichert. Eine genaue Darstellung findet sich bei Sitzmann [Sit91], eine kürzere Behandlung des Themas auch in der Szene Intern Ausgabe von Februar 93 [si.2.93].
Auch durch die BGH-Entscheidung von 2004 hat sich diese Aussage im Kern nicht geändert. Sie zieht nur eine Grenze der Einwilligungsfähigkeit im Falle deutlich lebensgefährlicher Praktiken. Niemand muss befürchten, dass er sich oder seinen Partner alleine dadurch in den Knast bringt, dass er Hilfe sucht, um sich aus einer Beziehung zu lösen.
Sadomasochistische Opfer von Missbrauch oder Vergewaltigung haben vor Gericht die gleichen Rechte wie alle anderen Opfer auch.
Jede Vergewaltigung und jede Misshandlung sollte daher ohne Zögern zur Anzeige gebracht werden. Angst vor gesellschaftlichem Spott darf nicht zu einem Verbleib in einer destruktiven Beziehung führen.
Traditionelle Anlaufstellen für Opfer sind etwas problematischer. Besonders sadomasochistische Frauen können zwischen die Fronten des Geschlechterkriegs geraten und von ihren nichtsadomasochistischen Geschlechtsgenossinnen Sprüche wie "Du wolltest es doch so!" oder "Das hast du jetzt davon!" zu hören bekommen. Wie im Keres Report [Ker94] dokumentiert, hat eine von vier lesbischen Sadomasochistinnen Gewalt durch die lesbische, nichtsadomasochistische Umgebung erfahren.
Eine mögliche Anlaufstelle ist immer der Hausarzt, der auf Hilfsorganisationen verweisen kann und gleichzeitig durch die ärztliche Schweigepflicht gebunden ist.
Neben den offiziellen Stellen kann sich der Kontakt mit Organisationen der sadomasochistischen Subkultur lohnen, die vielleicht ohnehin einen besseren Einblick in die Problematik haben. Adressen und Telefonnummern von Beratungstelefonen werden im Abschnitt [subkultur] angegeben. Insbesondere maydaySM ist eine der ersten Anlaufstellen, wo Sadomasochisten in Not geholfen wird.
Am besten entgeht man einer destruktiven Beziehung zu entgehen, indem man sie von vornherein vermeidet. Besonders sollte man sich vor Menschen hüten, mit denen man nicht gut über Grenzen und Sexualverhalten allgemein reden kann. Wirklich gefährlich sind diejenigen Sadomasochisten, die sehr starre Vorstellungen haben, welche Praktiken zu einer "richtigen" Beziehung notwendigerweise dazugehören, die gewisse Spielarten als "verweichlicht" oder "Kinderkram" bezeichnen, oder gar zu wissen glauben, was ein Partner zu tun bereit sein muss, bis er oder sie als "richtiger Top" oder "richtiger Bottom" gelten darf. Ein Warnsignal ist es, wenn ein potentieller Partner häufig über andere Tops oder Bottoms herzieht und ihre SM-Vorlieben oder -Praktiken heruntermacht. So etwas zeigt einen Mangel an Selbstbewusstsein an und lässt darauf schließen, dass er versuchen wird, auch dich klein zu machen.
"Echter Sadomasochismus" ist alles, was beiden Partnern Spaß macht.
In der Psychiatrie gibt es den Begriff der Sadistic Personality Disorder [macti]. Von den folgenden Kriterien müssen mindestens vier gegeben sein, um die Diagnose dieser Persönlichkeitsstörung formell zu rechtfertigen:
Auch wenn ein paar dieser Charakterzüge auch bei konsensuellen Sadomasochisten verbreitet sind, bestehen fundamentale Unterschiede zu dieser Störung darin, wie diese Charakterzüge ausgelebt werden.
Studien zu diesem Thema haben bei den betroffenen Personen eine höhere Häufigkeit von Alkohol- und Drogenmissbrauch wie auch von Depressionen gefunden [reich].
Diese Kriterien sind natürlich innerhalb der Grenzen eines sadomasochistischen Spiels bedeutungslos, dürfen aber während der restlichen Beziehung nicht auftauchen. Menschen mit Persönlichkeitsstörungen sind gefährlich und werden oft im Zusammenhang mit Fällen von Kindesmissbrauch und anderen Formen der familiären Gewalt auffällig.
Die nichtkommerzielle Subkultur hat trotz ihres enormen Wachstums während der letzten Jahre und einen damit verbundenen Verlust an Intimität immer noch ein gewisses, allgemein verbreitetes Wissen über das Spielverhalten ihrer Mitglieder, das eine gewisse Schutzfunktion erfüllt. Man muss zwar sehr vorsichtig damit sein, persönliche Kleinkriege für bare Münze zu nehmen, aber der Ruf eines möglichen Partners in der Subkultur kann ein Hinweis darauf sein, ob eine konstruktive Beziehung mit ihm möglich sein wird.
Gewalt in Partnerschaften von Sadomasochisten ist ein Problem, mit dem die meisten Opfer allein gelassen werden. Mit Ausnahme derer, die in der Subkultur integriert sind, sind misshandelte Sadomasochisten fast immer einer verstärkten Isolation ausgesetzt. Falls du das Gefühl hast, ein Opfer körperlicher oder seelischer Misshandlungen zu sein, dann mach dir klar:
Es sollten möglichst früh Vorbereitungen für den Fall getroffen werden, dass man schnell eine gemeinsame Wohnung oder Ähnliches verlassen muss. Familienmitglieder und Freunde sollten über die Situation in Kenntnis gesetzt werden. Auch hier sollte man falsche Scham nicht als Ausrede nutzen, nichts zu unternehmen.
Die Angst, keinen anderen Partner mit Interesse an SM zu finden, ist der schlechteste Grund für das Aufrechterhalten einer destruktiven Beziehung. Es gibt gar nicht so wenige Sadomasochisten, und die bloße Befürchtung, nichts Besseres zu finden, ist ganz bestimmt keine Basis für eine Liebesbeziehung.
Es kann gute Gründe geben, warum ein Verlassen der Beziehung nicht möglich oder erwünscht ist - Angst vor oder Liebe zum Täter, wirtschaftliche Abhängigkeit, Kinder. Auch wenn man bleibt, gibt es Hilfe. Es existieren Familienberatungsstellen und Hilfsorganisationen, die für diese Fälle ausgebildet sind, wenn man dort auch nicht unbedingt auf die besondere Situation einer sadomasochistischen Beziehung eingehen kann. Ist man selbst nicht dazu in der Lage, können Freunde, Ärzte oder Pastoren auch ohne Kenntnisse der Neigung Kontakt zu solchen Gruppen für dich herstellen.
In vielen Fällen wird das Opfer aber selbst gar nicht mehr erkennen können, dass es in einer destruktiven Beziehung steckt. In diesen Fällen kommt dem Umfeld entscheidende Bedeutung zu.
In einigen Fällen wird ein Partner merken, dass der andere in eine Hörigkeit rutscht oder sich in seine Rolle hineinsteigert, ohne dass der andere es will oder gar absichtlich herbeizuführt. Der Täter wider Willen schafft es dann vielleicht auch nicht, dem Partner die Situation klarzumachen und auf Änderung zu dringen.
In so einem Fall ist eine Lösung, die Beziehung abzubrechen. Dieser Schritt kann für beide enorm hart sein. Bevor du diesen Schnitt machst, solltest du dir, wo immer möglich, Rat und Hilfe holen. Eine weniger radikale Möglichkeiten ist, SM für eine gewisse Zeit auszusetzen und sich z.B. in eine Paartherapie zu begeben.
Umfeld bedeutet in diesem Zusammenhang so gut wie immer das subkulturelle Umfeld, da für Vanillas der Unterschied zwischen konsensuellen, sadomasochistischen Spielen und Gewalt oft nicht erkennbar ist.
Was genau in einem Einzelfall zu tun ist, lässt sich natürlich nicht allgemein formulieren. Außenstehende können selbst versuchen, bei Beratungsstellen und bestehenden Einrichtungen Rat zu holen. Diese Stellen sind für solche Situationen ausgebildet und verfügen über große Erfahrung.
Solange öffentliche Stellen nicht ausreichend über Sadomasochismus Bescheid wissen, um verständnisvolle und nützliche Hilfe bieten zu können, sind andere Sadomasochisten unter Umständen die einzige Anlaufstelle für das Opfer. Dementsprechend sollte jedes Mitglied der Subkultur in solchen Fällen helfen, wo es nur kann. Der größte Fehler wäre es, das Vorhandensein solcher Zustände zu tabuisieren.
[Gei90] Geißler, Sina-Aline "Lust an der Unterwerfung"
Moewig Verlag 1990
[Ker94] Keres, Jad "Violence against SM Women within the Lesbian Community"
Female Trouble Philadelphia, 1994.
[macti] Mactire, Sean "Malicious Intent",
Writer's Digest Books, Cincinnatio, Ohio 1995.
Von einem Autor von mehren Sachbüchern über Domestic Violence geschrieben hat und an Programmen zur Vorbeugung von Kindermissbrauch beteiligt war hier ein Buch, das eine lesbare Einführung in die forensische Psychiatrie darstellt.
[prest] Preston, John "Mr. Benson", Alternate Publishing 1980. Zur Zeit vergriffen.
[DR76] Réage, Pauline "Geschichte der O". In: Deforges, R., Réage, P. "Die O hat mir erzählt",
Ullstein Verlag Frankfurt 1991.
In der Bundesrepublik Deutschland steht die Veröffentlichung als eigenständiges Buch auf dem Index. (1996 neu aufgelegt)
[reich] Reich, J. "Prevalence and Charakteristics of Sadistic Personality Disorder in an outpatient veterans population".
Psychiatry-Res. September 1993, 48(3), Seiten 267-276
[si.1.95] Dagmar (Darmstadt) "Hörigkeit. Ultimativer Thrill oder Bedrohung der eigenen Persönlichkeit?".
SM Szene Intern, Nr. 1 Januar 1995, AK Vernetzung.
[si.2.93] AK Recht (Alex und Isa), "SM und Strafrecht: Teil 1: Körperverletzung und die Probleme mit der Einwilligung".
SM Szene Intern, Nr. 2 Februar 1993, AK Vernetzung.
[Sit91] Sitzmann, V. "Zur Strafbarkeit sadomasochistischer Körperverletzungen",
In: Goltdammer's Archiv für Strafrecht 1991 Seite 71 -- 81.
[WS+93] Wetzstein et al "Sadomasochismus -- Szenen und Rituale"
rororo Sachbuch, Rowohlt Verlag 1993.
Der Nutzen der folgenden Adressen ist unterschiedlich und viele, besonders die nichtsadomasochistischen Organisationen sind nur regional bekannt. Wer Erfahrungen mit Organisationen diese Art gemacht hat, ob gute oder schlechte, wird gebeten, uns diese mitzuteilen.
Frauen Büro: Vergewaltigung etc. Notruf rund um die Uhr: Wien 71719
Frauenhaus Notruf: Tel: 0222 545 48 00
Notruf Vergewaltigter Frauen: 0222 523 22 22
Zentrale Auskunftsstelle der Psychosozialen Dienste: Fuchsthalergasse 18 Wien 9 Tel: 310 25 73
Beschwerdestelle für Psychotherapie Tel: 0222 512 71 02 am 1.Di ( 13-15:00 ) und 3. Di ( 16-18:00 ) im Monat (Wr.Landesverband für Psychotherapie)
ÖH Frauenreferat: Rooseveltplatz 5a, Wien 9 Tel: 408 79 58 - 72
Frauenmedizinisches Zentrum: Lainzer Str.25 Wien 13, Tel: 0222 8768171
Ambulante Schwangerschaftshilfe: Fleischmarkt 26 Wien 1 Tel: 5129631
DIE SEXUALBERATER SPEZIAL für Menschen mit Behinderungen
Einzelberatungen für behinderte Menschen und ihre Bezugspersonen, Sexualpädagogik in Form von Seminaren, Workshops und Kleingruppen, Gesprächsgruppen und Supervisionen für alle Interessierten. Kontaktelefon: 0222 - 7189278 // 02236 - 24529, [ Anmerkung: hier gibt es auch Ansprechpartner, die selbst Sadomasochisten sind.]
HOSI - Homosexuelle Initiative Wien, 1.Lesben und Schwulenverband
Novaragasse 40, A-1020 Wien Tel: 0222 216 66 04 hosi@via.at
Referat f. homo-,bi und transsex. Angelegenheiten der ÖH
Lichtensteinstr. 13 A-1090 Wien LesBiSchwul@oeh.ac.at
Tel: 310 88 80 - 38 Fax: 310 88 80 - 12
BDSM Notfalltelefon: 0700 62932967 (leicht zu merken: 0700 MAYDAYSM) - NICHT für allgemeine Fragen zu SM, sondern für Menschen, die im BDSM Zusammenhang in Not geraten sind.
MaydaySM.de - Portal mit vielen Hinweisen und Links für Sadomasochisten in Not.
Siehe dazu auch die Liste der Schlagzeilen (unter "Gruppen").
© 1996 - 2004 by Datenschlag - Alle Rechte vorbehalten. Dieser Text steht unter der Datenschlag-Lizenz und kann in ausgedruckter Form ohne ausdrückliche Erlaubnis zu nichtkommerziellen Zwecken verteilt und weiterverwendet werden, solange das Dokument im Inhalt nicht verändert und Datenschlag als ursprüngliche Quelle angegeben wird. Eine Kopie der Seite in ein anderes Webprojekt ist ausdrücklich nicht erlaubt.
Datenschlag haftet nicht für Schäden, die aus dem Gebrauch dieses Textes resultieren. Weder sind wir gegen Fehlinformationen gefeit, noch sind alle Praktiken auf jeden Menschen übertragbar.