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Jahresübersicht 2003
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Was gibt es simpleres als den Hieb mit der Peitsche? Wie ist Strafe, Buße und Reue anders so pur und eindeutig zu vollziehen und öffentlich zu inszenieren als in dieser Unmittelbarkeit des Schmerzes, der Unterwerfung und der Bemächtigung? Wie könnte Strafe erzählerisch oder didaktisch einfacher darzustellen sein als in der Form dieses absoluten Übergriffs auf sich selbst oder eine andere Person?
(Niklaus Largier in "Lob der Peitsche. Eine Kulturgeschichte der Erregung", C. H. Beck Verlag 2001. Der Autor ist Professor für Deutsche Literatur und Ideengeschichte des Mittelalters an der University of California in Berkeley.)
"Nehmen Sie Ihre Gefühle an und akzeptieren sie, dass es Ihnen beiden Spaß macht" rät die Fernseh-Psychologoin Angelika Kallwass in ihrer am 02.01.03 ausgestrahlten Ratgeber-Sendung "Zwei bei Kallwass" einem Mann, der sich vor seiner sadistischen Neigung um erotischen Bereich fürchtet.
Ausgangsthema war der Auszug des Mannes nach einem Streit aus Eifersucht mit seiner Frau, die ihn offenbar so lange "getriezt" hatte, bis er sie endlich einmal härter angefasst hat. Die Rede war von Schlagen und "ein bischen Würgen". Während er mit offensichtlichem Abscheu von der Nacht berichtete in der er die Kontrolle über seine Wut verloren hat (immer weiter aufgestachelt von ihr) glänzen bei dieser Erzählung ihre Augen sichtlich. Beide sind sich einig, dass dies der geilste Sex aller Zeiten gewesen sei.
Die Fernseh-Psychologin erkundigt sich darauf hin sehr pragmatisch: "Und wo ist das Problem?". Dies bringt ihn sichtlich aus der Fassung und er bricht mit seinen Ängsten heraus, nun ein Gewalttäter und Sexualverbrecher zu sein.
Frau Kallwass rückt nun zügig sein Bild zurecht. Sie führt aus, dass viele Menschen Lust daran empfinden ein "Spiel" zu spielen und das diese Lust an "sadomasochistischen Spiele" angenommen werden sollte. Dann würden diese Phantasien nicht übermächtig. Sie rät ausdrücklich zum Ausleben des erotischen Sadomasochismus und verdeutlicht, dass es einen Unterschied zwischen dem erotischem Spiel und dem krankhaften Gewalttäter gibt.
Die Sendung wurde im Nachmittagsprogramm ausgestrahlt. Ob die Fälle authentisch sind oder nicht, ist mir nicht bekannt. In jedem Fall wirkt die Darstellung sehr seriös. Die vertrauenswürdige Art der Fernsehpsychologin hat durchaus eine meinungsbildende Wirkung auf ihr Fernsehpublikum.
Schon seit längerem beobachte ich ihre Reaktion auf Fälle im sadomasochistischen bzw. im Fetisch-Bereich. Es wird deutlich, dass Frau Kallwass immer wieder um Akzeptanz für alle wirbt, was einvernehmlich geschieht, auch wenn sie manches Mal etwas belustigt scheint. Kleinkariertes Denken hat bei ihr keinen Platz. Im Wesentlichen ruft sie in Erinnerung, das erwachsene Menschen miteinander tun können, was sie möchten, so lange alle Beteiligten daran hätten.
Der Begriff "Perversion" wird von ihr gelegentlich im psychologischen Sinn gebraucht, doch verdeutlicht sie, dass eine "Perversion" nichts "Schlimmes" ist und das perverse Neigungen ihrer Meinung nach o.k. sind, solange man selbst oder andere nicht darunter leiden. "Pervers" wird von ihr offenbar eher als "unüblich" oder "in der Kindheit ungewöhnlich gepolt" gewertet. Die bei ihr behandelten Fälle stellen sich letztlich als ungewöhnlicher aber harmloser Spleen oder lustvolle Erweiterung der Sexualität dar.
Auch wenn dem szenevertrauten SMler deutlich wird, dass Frau Kallwass keinen Szenebezug hat und ihr manches Mal die Worte fehlen, ist sie meines Erachtens eine gute Botschafterin des leidenschaftlichen Sex. Im oben beschriebenen Fall riet sie dem verunsicherten Mann resoluter zu sein. "Wenn sie wieder flirtet und sie wütend werden, dann nehmen Sie ihre Wut an, gehen sie hin, nehmen sie Ihre Frau fest an die Hand und zeigen Sie ihr, wer hier ..." an dieser Stelle brach sie ab und überließ es dem Publikum den Satz im Geiste fortzuführen.
Falls irgendeine Gruppe oder Organisation eine öffentliche Fürsprecherin für die BDSM-Szene sucht, wäre Frau Kallwass vielleicht eine interessante Ansprechpartnerin. Da diese Frau mit ihrer Sendung eh dazu aufruft sadomasochistische Neigungen im erotischen Bereich ernst zu nehmen und auszuleben, wäre es vielleicht gut, wenn sie auch gleich praktische Hilfen mitgeben würde, etwas den Grundsatz von "SSC" oder den Tipp, dass es Möglichkeiten gibt, sich mit Gleichgesinnten auszutauschen, wenn man sich unsicher fühlt.
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