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Rezension von "Richterin Barbara Salesch" vom Donnerstag, dem 19.4.2001, 15:00 Uhr auf Sat 1
In der obigen Folge der Sat-1-Gerichtsreihe "Richterin Barbara Salesch" ging es in dem ersten der beiden behandelten Fälle erneut um das fast klassische Dilemma, dass eine Partei eines Erlebnisses dieses als Vergewaltigung und die andere Partei es als einvernehmlichen sadomasochistischen Sex bezeichnet.
Luka wird der Vergewaltigung und Körperverletzung angeklagt, nachdem er mit seiner damaligen Freundin Claudia im Rahmen einer Fesselbondage mit Seidentüchern zweimal Geschlechtsverkehr gehabt hatte, sich dabei über ihre Gegenwehr hinweggesetzt und ihr leichte Verletzungen sowie Hämatome zugefügt hatte. Die Fesselungen erfolgten unfreiwillig, da Claudia zu diesem Zeitpunkt noch geschlafen hatte. Andererseits gehörten Macht- und Fesselspiele dieser Art zur gängigen Praxis dieses Paares, und auch Luka befand sich schon in der passiven Rolle. Allerdings war es noch nie zuvor zu Verletzungen gekommen.
Das Grundproblem bei diesem Fall war, dass Luka und Claudia miteinander ein Codewort "finito") vereinbart hatten, Claudia dieses aber in der akuten Situation nicht eingefallen sei. Dennoch vertritt sie die Ansicht, ihr Freund habe ihr an den Augen und ihrer Mimik ablesen können, dass sie diesmal wirklich nicht wollte. Auch sei sie in keiner Weise erregt gewesen. Lukas Verteidiger widerspricht: Seinem Mandanten sei nicht erkennbar gewesen, dass ihr Widerstand diesmal ernst gemeint sei.
Noch einmal verkompliziert wird der Fall durch die Aussage der jungen Nachbarin des Paares. Zwar bezeugte sie, dass Rufe wie "Hör auf! Geh weg!" aus der Nachbarwohnung sowohl von Claudia als auch von Luka nicht unüblich gewesen seien. Andererseits traue sie Luka eine Vergewaltigung aber durchaus zu, da sie selbst schon erlebt habe, dass es ihn bei sexuellen Begegnungen extrem errege, wenn er sich über einen möglichst starken Widerstand erst hinwegsetzen musste. (Claudias Reaktion auf die damit verbundene Eröffnung ihrer Nachbarin, sie habe mit ihrem Freund "von Mai bis Juli" eine Affäre gehabt, ist denkbar heftig.)
Das Verfahren endet mit einem Freispruch für Luka. Richterin Salesch räumt ein, dass hier unzweifelhaft eine zweifache Vergewaltigung vorgelegen habe. Dies sei Luka aber nicht erkennbar gewesen, somit liege kein Vorsatz vor. Was Claudia angeht, vertritt Richterin Salesch die auch in anderen Fällen nicht unübliche juristische Einstellung, dass, wer sich in ein gewisses Risiko begebe, oft auch mit den Konsequenzen selber fertig werden müsse.
Sowohl Claudia als auch Luka tragen während des Prozesses Zivilkleidung und keine Gothic-Montur, Latexklamotten oder ähnliches. Beide sind meiner Einschätzung nach gleichermaßen sympathisch gekennzeichnet. (Anders als etwa bei "Wie würden Sie entscheiden?", wo meistens der Sympathieträger zum Schluss der juristisch Unterlegene war, ein merkwürdiges Muster.) Claudia fühlt sich ganz offenkundig wirklich vergewaltigt und ist mit den Nerven am Ende, Luka wirkt halb verstört und halb verzweifelt und hat ebenso offenkundig noch zu Beginn des Prozesses keine Ahnung, was er überhaupt konkret verbrochen haben soll.
Die szenische Darstellung des Falles ist höchst melodramatisch: nicht nur, was die ständigen leidenschaftlichen Ausbrüche der Beteiligten an sich angeht, sondern auch was die unverblümte Ausdrucksweise, den dramatischen Nebenplot (bezüglich der Affäre mit der Nachbarin) und das starke Heranzoomen der Kamera an die Gesichter bei extremen Gefühlsaufwallungen betrifft.
KOMMENTAR
Offen sadophobe Untertöne konnte ich diesmal nicht entdecken, wiewohl man aus der erotischen Vorgeschichte des Paares ("ständige Dosissteigerung, um einen immer neuen Kick zu erfahren") wie aus der "Moral" des Falles ("Wer sich in Gefahr begibt, kommt darin um") solche Untertöne herauslesen kann, wenn man möchte. Unsinnige Trailer und Text-Unterzeilen waren jedenfalls nicht vorhanden.
Die schon hier durch die Mailingliste gegangene heute ausgestrahlte Gerichtsverhandlung [swl20010417-0006] endete mit Freispruch für den Angeklagten.
Begründung der Richterin: Es gab ein Safeword, diese Safeword ist aber nicht gefallen (Die Frau habe sich nicht mehr an dieses erinnern können). Die Spielart war nicht aussergewöhnlich in dieser Beziehung, so dass der Mann das heftige Wehren seiner Freundin nicht als Stopsignal deuten konnte. Ausserdem hat sie auch nie von dem Safeword gesprochen, so dass er auch nichts davon ahnen konnte, dass sie dieses vergessen habe. Die Verletzungen seien zwar erstmalig in der Beziehung ge- wesen, aber nicht so dramatisch, als dass diese als Stop- signal gedeutet werden konnte. Somit blieb nur der Freispruch.
KOMMNENTAR
Natürlich war die Sendung wieder angereichert mit viel Schreierei und ausserdem hatte der Angeklagte auch noch eine Affäre mit der Nachbarin seiner Freundin.
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