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Jahresübersicht 2001
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In der Folge vom 8. Januar der Sat-1-Gerichtsreihe "Richterin Barbara Salesch" ging es in dem ersten der beiden behandelten Fälle um das fast klassische Dilemma, dass eine Partei eines Erlebnisses dieses als Vergewaltigung und die andere Partei es als einvernehmlichen sadomasochistischen Sex bezeichnet.
Der sexuellen Nötigung angeklagt ist ein bislang unbescholtenes studentisches Pärchen aus der Gothic-Szene, das offenbar aus Gründen der Sendedramaturgie in voller Gothic-Montur vor Gericht erscheint. Der männliche Partner der beiden führt in seinem Rollennamen den Titel "Sir". Die beiden sollen die Klägerin (formaljuristisch eigentlich: die Zeugin) dazu gebracht haben, sich zu entkleiden und sie dann auf einen Stuhl gefesselt haben, woraufhin der männliche Partner des Paares ihre Brüste betastete und dann auf sie ejakulierte. (Dies alles wird mit für die Uhrzeit der Ausstrahlung überraschender Deutlichkeit ausgebreitet.)
Die Angeklagten verteidigen sich mit der Darlegung, sie seien beide keineswegs Sadomasochisten im Gegensatz zu der "Klägerin", die in aufreizender Lederkleidung samt Halsband zu diesem erotischen Treffen erschienen sei, von ihren Phantasien berichtet habe, nackt gefesselt zu werden, und das Sina-Aline Geißlers Buch "Mut zur Demut" empfohlen habe. Auch den verwendeten Knebel (der den Fernsehzuschauern gezeigt wird) habe sie selbst mitgebracht. Schließlich habe sie sich freiwillig entkleidet und alles bereitwillig mit sich geschehen lassen. Auf die Frage, ob SM-Praktiken in der Gothic-Szene üblich seien, erwidert der männliche Angeklagte sinngemäß: nicht mehr oder weniger als zum Beispiel bei Maurern und in allen anderen Schichten, SM sei ja schließlich auch nichts Kriminelles.
Die Klägerin/Zeugin indes führt an, sich nur auf Befehl und aus Angst ausgezogen zu haben. Der Knebel gehöre ihr nicht. Sie habe auch direkt nach der Tat die nächste Polizeistation und ein Krankenhaus aufgesucht. Eine daraufhin ebenfalls als Zeugin vernommene Polizeibeamtin bestätigt diese Aussage: Die "Klägerin" sei ihr in höchstem Maße aufgewühlt/traumatisiert erschienen. Das ärztliche Attest des Krankenhauses bestätigt unter anderem Fesselspuren und eine durch den Knebel aufgeplatzte Lippe. Es konnten ebenfalls noch Spermaspuren gesichert werden, die den männlichen Angeklagten belasten.
Bei den Schlussplädoyers führt die Staatsanwaltschaft den psychischen Zustand des "Opfers" nach der Tat ins Felde, ebenso das Attest und den noch bei den Beklagten gefundenen Knebel; die Verteidiger beharren auf der Darstellung, dass die betreffende junge Frau in das Geschehen eingewilligt habe.
Schließlich werden die beiden Angeklagten wegen sexueller Nötigung in Tateinheit mit Körperverletzung zu anderthalb Jahren auf Bewährung verurteilt. Richterin Barbara Salesch sieht sich gezwungen, sich für eine der beiden Versionen des Tathergangs zu entscheiden und schließt sich der Darstellung der "Klägerin" an, da sie es als unglaubhaft betrachtet, dass eine Frau, die SM-Spiele erleben wolle, direkt danach höchst verstört die Polizei aufsucht. SM bedeute doch gerade, dass man Freude an diesen Dingen empfände. Das sei hier offenbar nicht der Fall gewesen. Die Strafe wird zur Bewährung ausgesetzt, da die Angeklagten bisher unbescholten seien und die "Klägerin" ein gewisses Mitverschulden am Entstehen der Situation treffe.
KOMMENTAR
Ich habe die Sendung "Richterin Barbara Salesch" nie zuvor gesehen und habe keine Ahnung, inwiefern sie tatsächliche Fälle zum Vorbild nimmt.
Durch die grelle Kostümierung der beiden Beklagten im Gerichtssaal macht Sat 1 den Fall sicherlich ein wenig zum Kasperletheater. Es werden in dieser Sendung nach meinem Empfinden auch gewisse Klischees bedient; diese richten sich aber weniger gegen Sadomasochisten als gegen die Angehörigen der Gothic-Szene sowie gegen Verteidiger, die einem Vergewaltigungsopfer in scharfem Tonfall unsinnige Fragen stellen.
Wie aus der Zusammenfassung hervorgeht, wurde von keiner Seite in diesem Prozess thematisiert, ob es nicht auch zumindest denkbar ist, dass sich jemand eher Unerfahrenes freiwillig auf SM-Spiele einlässt, um dann festzustellen, dass die Realität mit seinen/ihren Phantasien nicht in Übereinklang zu bringen ist, woraufhin er/sie von dem Geschehen völlig überfordert ist und sich daraufhin tatsächlich vergewaltigt fühlt.
Medizinstudenten der Universität Rostock klären in einem neuen Projekt Schüler auf. Wie der ARD-Videotext am 08. Jan 2001 auf Seite 546 berichtete, ist das Ziel von "Mit Sicherheit verliebt", dass die Schüler von (fast) Gleichalterigen aufgeklärt werden. Einzelheiten zum Inhalt des Projekts wurden nicht genannt.
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