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Jahresübersicht 2000
| Monatsübersicht April
Die Hamburger Gruppe abART e.V. nimmt ab sofort an Schlagworte teil. Sie ist gebeten worden, in nächster Zeit eine Selbstdar- stellung zu posten.
Die Stadtverwaltung von Baltimore im US-Bundesstaat Maryland hat nach einem Bericht des E-Mail-Magazins "Leathermedia" seit Ende 1999 alle SM-Clubs der Stadt schließen lassen. Dies wurde auf einer auf der Mailingliste SM ACT geposteten Ausgabe vom 04. April 2000 unter dem Titel "The Battle for Baltimore" (Die Schlacht um Baltimore) berichtet. Demnach war die örtliche SM-Gruppe "The Pheonix" [sic] im Sommer 1999 wegen ihres starken Wachstums aus der Stadtregion Canton nach Brooklyn umgezogen. Ohne weitere Informationen über die Gruppe einzuholen oder gar mit Vertretern zu sprechen, beschwerte sich eine Bürgerorganisation dort bei der Stadtverwaltung. Diese verbat unter Hinweis auf Gesetze über zulässiges Verhalten und Gewerbe in Stadtbezirken [zoning laws] im November/Dezember 1999 weitere Treffen.
"Leathermedia" zufolge nutzte das zuständige Amt der Stadtverwaltung [zoning board] anschließend das Internet, um andere Gruppen in der Stadt ausfindig zu machen. Dazu trugen sich Angestellte der Stadt auch auf SM-Mailinglisten der entsprechenden Gruppen ein. Auf Grund dieser Informationen seien allen anderen SM-Gruppen und -Clubs der Stadt weitere Treffen untersagt worden. Beschwerden gegen diese Organisationen hätten dabei offenbar nicht vorgelegen. Die vermutlich weiter bestehende Infiltration der Mailinglisten bedeute, dass selbst eine Veranstaltung in einem Hotelzimmer innerhalb der Stadtgrenzen verboten werden könne.
Die Verordnungen gehen laut dem Bericht auf über 100 Jahre alte Gesetze zurück. Zusammen mit der SM-Bürgerrechtsgruppe National Coalition for Sexual Freedom (NCSF) versuchen die Gruppen mit Briefen und Unterschriften Druck auf die Stadtverwaltung von Baltimore auszuüben. Entsprechende Vorlagen seien unter
www.qis.net/~cottcpl/balt-letter.txt www.qis.net/~cottcpl/inmary-letter.txt www.qis.net/~cottcpl/outmary-letter.txt www.qis.net/~cottcpl/outandresident.txt
zu finden. Die NCSF habe zudem eine Webseite zu der Situation in Baltimore eingerichtet:
www.ncsfreedom.org/zoning.html
Die Gruppe ruft zu Spenden auf.
"The Battle for Baltimore" Randy Brown Leathermedia 04. April 2000 Tel: [USA] 202-884-0028 Web: members.aol.com/bdsmedia/ E-Mail: leathermedia — at — linuxmail.org
In SZ 48 schrieb ich:
Vor kurzem besprach ich hier enthusiastisch wie selten den Film "Preaching to the Perverted", die gute Nachricht ist, das deutsche Videorelease hat stattgefunden. In gut sortierten Videotheken findet man jetzt zum Ausleihen die deutsche Fassung unter dem Titel "The Fetish Club". Entgegen meinen Befürchtungen ist die Syncronisation bis auf ganz kleine Schnitzer wirklich gut. Und die noch bessere Nachricht: In etwa 3 Monaten können wir Euch diesen Film über unser Mailorder für halbwegs kleines Geld anbieten (irgendwo zwischen 49,- und 59,- DM, wir sind noch in Verhandlungen).
Die 3 Monate sind längst vorbei und inzwischen kann man den Film beim Charon Verlag für DM 49,- plus Versand/Porto bestellen. Komisch, wieso das soviele übersehen haben.
Im Magazin "Stern" vom 6.4.2000 berichten Andreas Hutzler und Werner Mathes unter dem Titel "Wenn die Lust verrückt spielt" auf insgesamt 12 Seiten über Fetischismus. Behandelt werden Gummi, Nylons, Windeln, nasse Kleidung und Transvestitismus sowie "Die Info-Börsen der Fetischisten" (Marquis und andere Zeitschriften). Ein ganzseitiges Interview mit dem Sexualforscher Erwin J. Haeberle schließt den Beitrag ab.
An Theoretikern werden zitiert: Krafft-Ebing, der Frankfurter Sexualwissenschaftler Martin Dannecker ("Von Perversion sprechen wir erst, wenn jemand ohne den Fetisch keinen Orgasmus mehr bekommt."), der Berliner Psychologe Max Dessoir um 1900 ("Der Fetischismus kennt nur die Klangfarbe eines einzigen Instruments"), die US-Kulturhistorikerin Valerie Steele ("Unter dem Prädikat 'sexuell pervers' verkauft sich heute alles"), der englische Sexualforscher Clavel Brand, Sigmund Freud, der Psychoanalytiker Reimut Reiche ("'Die meisten Frauen, die mit perversen Männern in stabilen Partnerschaften zusammenleben, sind auf das, was sie da mit ihren Männern tun, keineswegs mit Leib und Leben angewiesen.' Der Mann rede sich ein, seine Frau brauche oder wolle das ebenso wie er - schließlich mache sie mit.")
Der Artikel endet mit den Worten: "Auch für Fetischisten gibt es ein Leben jenseits der Lust. Und Sehnsüchte, in denen Latex, Nylons oder Windeln keine Rolle spielen, Träume, die nicht im Orgasmus gipfeln. Transvestit Rolf hofft, dass er mit seiner Freundin eine lange Zukunft vor sich hat. Und Tina, die Latex-Lady, träumt davon, viele Kinder zu haben. Fred, das Gummibaby, wünscht sich, dass er Frau und Söhne auch in Zukunft ernähren kann und er mit der Renovierung seines Hauses irgendwann einmal fertig wird. Die kühnsten Träume der Fetischisten - das sind die Träume, die wir alle haben."
Im folgenden Interview mit Dr. Haeberle äußert dieser: "Tatsächlich, der Anteil der Frauen ist sehr gering, wie bei allen sexuellen Ungewöhnlichkeiten. Männer sind psychisch viel labiler als Frauen - und dadurch gefährdeter."
Werner Mathes ist Leiter des Stern-Ressorts "Deutschland aktuell", Andreas Hutzler scheint freier Mitarbeiter zu sein und ist ansonsten für die Kolumne "Hutzis Welt" im Trendmagazin MAX zuständig.
KOMMENTAR
Der Tonfall des ganzen Artikels ist skeptisch, aber nicht verständnislos. Die zitierten Fachleute sind wie immer die falschen (immerhin nur drei Psychoanalytiker). Dr. Haeberle erweist sich - von der unfundierten Aussage über den Frauenanteil abgesehen - im Interview als deutlich liberaler und aufgeschlossener als die Stern-Autoren.
STERN Am Baumwall 11 20444 Hamburg Fragen an die Redaktion: 040 - 37 03 35 41 Fax: 040 - 37 03 57 68 E-Mail: leserdienst — at — stern.de
Dr. E.J. Haeberle antwortet auf meine Anfrage bezüglich der empirischen Grundlagen seiner Aussage im STERN vom 6.4. zum niedrigen Frauenanteil bei "sexuellen Ungewöhnlichkeiten":
> Das war eine allgemeine Bemerkung. Mag sein, dass sich in Zukunft das > Spektrum etwas verschiebt, aber bisher waren Fetischisten, Transvestiten, > Exhibtionisten, Voyeure und selbst Homosexuelle usw. immer im männlichen > Geschlecht weit häufiger als im weiblichen. Das sieht man an der > historischen Fachliteratur von Krafft-Ebing bis heute. Möglich, dass > diese Literatur der Realität hinterher hinkt. Mein Eindruck ist das > aber nicht. Eine bestimmte "Szene" kann man nicht so ohne Weiteres > verallgemeinern. Wirklich verläßliche Erhebungen gibt es aber selbst > für das sexuelle "Durchschnittsverhalten" bis heute nirgends.
Herr Dr. Haeberle ist Praesident der Deutschen Gesellschaft fuer Sozialwissenschaftliche Sexualforschung e.V., in der unter anderem die Vereine SMart Rhein-Ruhr und BDSM Berlin Mitglied sind.
KOMMENTAR
Dr. Haeberle beantwortet seine E-Mail ausgesprochen zügig, was auch bei Wissenschaftlern alles andere als selbstverständlich ist. Das Thema BDSM scheint ihn - wie alle deutschen Sexualwissenschaftler - nicht besonders zu interessieren, aber seine allgemein sehr aufgeschlossene Haltung macht ihn auch für uns zu einem hilfsbereiten Ansprechpartner.
Dr. E.J. Haeberle Archiv fuer Sexualwissenschaften Hannoversche Strasse 27 10115 Berlin Tel.: +49-(0)1888-754-3665 Fax: +49-(0)1888-754-3667 E-Mail: HaeberleE — at — rki.de
Nachdem die Fernsehzeitung TV-Today den Film "Die Geschichte der O." in ihrer Kritik als frauenverachtend und pervers dargestellt hatte, war jetzt folgender Leserbrief zu lesen:
VOLL DANEBEN! Ihr Fazit zu diesem Film lautet: Wer diesen frauenfeindlichen Mist verzapft hat, verdient wirklich Hiebe. Sind Sie tatsächlich so zurückgeblieben, dass Sie so große Probleme mit sexuellen Fantasien wie Sadomasochismus haben? Oder werden bei Ihnen die Kommentare von verklemmten "Emma" lesenden Emanzen geschrieben, die sich nur deshalb über diesen Film aufregen, weil hier eine Frau die masochistische Rolle spielt und nicht ein Mann? Es kann doch nicht sein, dass es 2000 immer noch Leute gibt, die Sex als schmutzig und SM-Fantasien als abartig werten.
Dieser Leserbrief hat mich fasziniert.
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