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Jahresübersicht 1998
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In "SPIEGEL Spezial" Heft 1/1999 "Volk ohne Moral - Ein deutscher Sittenspiegel" beschriebt ein Hamburger Professor für Sexualwissenschaften, Gunter Schmidt, die Entstehung der "Verhandlungsmoral" als neue Form der Sexualmoral. Folgende Passagen behandeln den Sadomasochismus (weitere Textstellen zum Verständnis beigefügt):
[...]
Die Sexualmoral war essentialistisch oder fundamentalistisch und qualifizierte bestimmte sexuelle Handlungen - zum Beispiel voreheliche oder außereheliche Sexualität, Masturbation, Homosexualität, Oralverkehr, Verhütung - prinzipiell als böse, weitgehend unabhängig von ihrem Kontext. Sie war eine Moral der Akte.
Zentrale Kategorie der Verhandlungsmoral dagegen ist die Forderung nach vereinbartem ratifiziertem Sexualverhalten, der ausdrückliche verbale Konsens. Da sie nicht sexuelle Handlungen oder Praktiken bewertet, sondern die Art und Weise ihres Zusammenkommens, also Interaktionen, hat die Verhandlungsmoral durchaus liberale Züge. [...] Ob hetero-, homo- oder bisexuell, ehelich oder außerehelich, genital, anal oder oral, zart oder ruppig, bieder oder raffiniert, sadistisch oder masochistisch - all das ist moralisch ohne Belang. Von Belang ist, daß es ausgehandelt wird.
[...]
Die Verhandlungsmoral hat die Perversionen - oder das, was man ehedem so nannte - längst erreicht, ja, an ihnen können sich Macht und Universalität der Verhandlungsmoral erst richtig erweisen. Sadistinnen [sic] und Masochisten versichern in zahllosen Talkshows und Features, daß es um maßvolle, um vereinbarte Torturen geht. Mit dem Horror und den Visionen des Marquis de Sade hat das nichts mehr zu tun. Und nur noch solche sexuellen Besonderheiten, die die Verhandlungsmoral inhärent verfehlen, zum Beispiel die Pädophilie wegen des Machtungleichgewichts der Partner, bleiben als Perversion erhalten und werden heute unnachsichtiger ausgespäht und verfolgt als früher.
[Ende]
Quelle: "Die reine Beziehung", Gunter Schmidt, "SPIEGEL Spezial" Heft 1/1999, Seite 110 bis 114
Biographische Angaben des "Spiegels" zu Schmidt:
Dr. Gunter Schmidt, 60, ist Professor für Sexualwissenschaften an der Universität Hamburg; er veröffentlichte unter anderem die Studie "Sexuelle Verhältnisse" (Rowohlt), die er für special ["SPIEGEL Spezial"] exzerpierte.
Beim ersten Überfliegen wurden keine weiteren Stellen in dem Heft zu SM gefunden.
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