Bisam

03.07.1997

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  1. REZ "Dominas als Therapeutin", WDR 30. Juni 23.00 Uhr

REZ "Dominas als Therapeutin", WDR 30. Juni 23.00 Uhr

[Hinweis: Die Sendung ist durch die Maschen der SM TV-Vorschau geschlüpft. Es fehlen mir etwa die ersten 15 Minuten der Sendung. Danke an S. für den schnellen Anruf, sonst hätte ich gar nichts davon mitbekommen]

In der Reihe "Signale" zeigte der WDR am Montag, dem 30. Juni 1997 um 23.00 Uhr eine Sendung mit dem Titel "Sex Bizarr: Domina als Therapeutin". Ohne einen Kommentar zeigten Rüdiger Daniel und Anka Rach abwechselnd Interviewstücke mit Dominas und Kunden.

Die interviewten Dominas ließen fast alle keinen Zweifel daran, daß sie sich als Therapeutinnen sehen. Die erste sage über einen Kunden:

    Dann geht er als geheilt...Er ist geheilt. Wichtig ist für mich der Aspekt, daß derjenige als geheilt entlassen werden kann.

Dabei wäre es ihr im Gegensatz zu anderen Dominas egal, daß sie damit einen Kunden verlieren würde. Die längsten Interviewteile wurde mit der Ex-Domina und Ex-Theologin Heidemarie Emmermann geführt, zwischen denen immer eine Session mit einem Kunden gezeigt wurde. Sie sprach davon, wie wichtig es sei, daß die Sessions "ritualisiert" abliefen, damit es zu keiner Vermischung zwischen Realität und Fiktion käme. über die Subkultur sagte sie in diesem Zusammenhang:

    Wenn nicht unterschieden wird zwischen Realität und Ritual, dann kriegt das ganze Suchtcharakter. Und dann kommt wieder die Vermischung. Darum ist es wichtig, daß er aus diesem Subkulturbereich herauskommt, denn das ist abgedrängt in die Suchtzone.

Weiter sagte sie, man habe kein Recht, die Grenzen des Kunden zu überschreiten und daß es immer die Gefahr gäbe, "den Punkt" des Kunden nicht zu treffen. über diesen Punkt sprach sie, in Zusammenhang mit Kunden, die Todesspiele machen wollten, daß man als Domina den Knackpunkt herausfinden müsse, warum er das spielen wolle. Einer der Beispiele, die sie anführte, war ob ein Kunde eigentlich mit seiner eigenen Mutter schlafen wolle.

Die längste Darstellung eines Kunden nahm auch ein junger Mann ein, der drei Jahre lang in psychiatrischer Behandlung gewesen war und zum ersten Mal eine Domina besuche. Er "ertrank" in einer gespielten, völlig wasserlosen Szene und wurde von ihr in einen Sarg gelegt, in dem er zu heulen begann. Von den anderen Kunden, alles männliche Bottoms, heulten zwei weitere und mußten in den Armen der Domina getrößt werden. Diese Szenen fanden in einem Raum mit diversen SM-Spielzeugen an der Wand und waren zum großen Teil in Rotlicht gehalten.

Die meisten Kunden sprachen von der Bedeutung von Vertrauen und Verantwortung, und daß für sie die Domina eine "Ubergangslösung war, bis sie eine Freundin finden konnten, die nicht nur dominant sei, sondern in die sie sich auch verlieben könnten. Die Stimmen waren bis auf den Kunden mit dem Todesspiel elektronisch verzerrt worden, so daß sie sich düster und monotoner anhörten.

Das Schlußwort sprach der Sexuaprofessor Ernst Bornemann. Er sprach davon, daß er keine konsensuelle Praktik als Perversion bezeichnen würde.

KOMMENTAR

Was kommt doch schönes dabei heraus, wenn die Domina und das Fernsehteam beide Freud gelesen haben. Sadomasochisten wollen eigentlich mit ihrer Mutter schlafen (sagte hier jemand ödipuskomplex?) und die Verbindung vom Sarg zum Todestrieb ist so überdeutlich gezogen worden, daß es nicht mehr feierlich ist. Die alte wissenschaftliche Annahme, daß SM in starren Ritualen ablaufen müsse, damit es zu keiner Katastrophe kommt, war Emmermann eine Berkung wert, wie toll die Katholische Kirche doch sei, wo man noch richtige Rituale pflegt. Ich habe nur darauf gewartet, daß eine der Damen sagt, es dürfe beim Spiel niemals gelacht werden.

Gegen die Grundannahme der Sendung, daß Dominabesucher eine Therapie brauchen, redeten die männlichen Kunden vergeblich. Bei den Dominas war allzu klar, daß sie sich für Psychotherapeutinnen hielten, nur viel besser. Der Absturz wurde als normal dargestellt, teilweise hatte man das Gefühl, es sollte das eigentliche Ziel eines Dominabesuchs sein. Ich habe seit Jahren nicht mehr soviele Männer heulen sehen.

Als Fußnote zur Programmgestaltung beim WDR: Im Anschluß zeigte man eine dänische Gruselkommödie und danach eine Verfilmung von Stevensons "Dr Jekyll und Mr. Hyde". Bekanntlich handelt es von einem Wissenschaftler mit einem Doppelleben...



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