Triebabweichungen (auch Perversionen, Perversitäten) (v. lat. pervers, d.i. verkehrt, verderbt) nennen wir den Inbegriff von Handlungen, die auf einem abartigen psychosexuellen Verhalten, auf einer fehlerhaften oder krankhaften Triebrichtung beruhen. Manche Autoren halten die Perversitäten nicht durch abartige Triebneigungen motiviert, sondern nehmen an, daß es sich um Ausschweifungen handelt, für die eine angeborene oder krankhafte Anlage nicht anzunehmen sei. Sie halten also die P. nicht für eine Krankheit, sondern nur für eine Ausschweifung oder ein Laster. Man gebraucht statt des Ausdruckes »Perversität« auch jenen der »Perversion« (Stekel gebraucht dafür den Ausdruck »Paraphilie«). Doch decken sich die beiden Ausdrücke nicht. Denn unter sexuellen Perversionen versteht man nach A. Eulenburg (Zeitschr. f. Sexwiss. 1914) die Anomalien und krankhaften Ab- und Ausartungen des Geschlechtssinnes, die sich in einer dem gesunden, natürlichen Empfinden widersprechenden und widerstrebenden Wahl des Triebziels und der zu seiner Verwirklichung (also zur geschlechtlichen Befriedigung) dienenden Mittel, der Aeußerungsweise des Geschlechtstriebes, im einzelnen Falle kundgeben. A. Kronfeld (Sexualpsychopathologie) teilt die Perversionen ein in Perversiones in actu, bei denen der Primat der Genitalien (Freud) entweder hinter anderen Ausdruckstendenzen des Triebes zurücktritt oder sich nicht in entsprechenden Entäußerungen kundgibt (Exhibitionismus, Sadismus, Masochismus, Voyeurtum, Triolismus usw.), und in Perversiones in objecto, d.i. die abartige gegenständliche Bindung des sexuellen Trieblebens, die Triebfixierung an nicht gleichartige Sexualziele. Hieher rechnet man die Homosexualität, den Transvestitismus etc., dann auch die Neigung zu Kindern, Greisen, Tieren und die Fetischismen.
Oskar F. Scheuer: Eintrag "Triebabweichungen" im "Bilder-Lexikon Sexualwissenschaft" (1930); Details siehe [Sch30e]
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