In der neueren Roman- und Novellenliteratur ist die psycho-sexuale Perversion,
welche den Gegenstand dieses Kapitels bildet, von Sacher-Masoch behandelt worden,
dessen bereits mehrfach erwähnte Schriften geradezu typische Bilder des perversen
Seelenlebens derartiger Männer entwerfen. Auf Sacher-Masochs Schriften berufen
sich viele von dieser Perversion Ergriffene, wie aus den obigen Beobachtungen ersichtlich,
ausdrücklich als auf typische Darstellungen ihres eigenen psychischen Zustandes.
Zola hat in seiner "Nana" eine masochistische Szene, ähnliches in
"Eugène Rougon". Die neueste "dekadente" Literatur in Frankreich und
Deutschland beschäftigt sich mehrfach auch mit dem Thema des Sadismus und Masochismus.
Der neuere russische Roman soll nach v. Stefanowskis Angabe den Gegenstand
häufig behandeln; aber schon nach des alten Reiseschriftstellers Johann Georg Forster
(1754-94) Mitteilungen sollen diese Dinge selbst im russischen Volkslied eine Rolle
spielen. Stefanowski findet den Typus des Passivisten auch in einer englischen
Tragödie von Otway "Venice preserved" und verweist hinsichtlich seines
Vorkommens auf dem Boden der konträren Sexualempfindung, auf Dr. Luiz "Les
fellatores. Moeurs de la dècadence". Paris 1888 (Union des bibliophiles).
Der Masochismus hat auch bereits seinen Lyriker gefunden in Gestalt des 1890 in Hamburg
gestorbenen sozialdemokratischen Agitators Johannes Wedde (ges. Werke, 2 Bde., Hamburg, H.
Grüning 1894), dessen lyrische Erzeugnisse darauf hinausgehen, den Mann unter die
Botmässigkeit des Weibes zu bringen, aus der unterwürfigen Magd, zu welcher die
christliche Anschauung (vgl. p. 4) das Weib erniedrigte, die Domina zu machen, wobei,
sobald bei Wedde die Sexualität des Masochisten voll und ganz hervorbricht, jenem
sadistische Züge angedichtet werden (s. auch die Besprechung von W.s Gedichten durch Max
Hoffmann ["Magazin" v. 29. 2. 96]).
Ein hübsches Beispiel von Masochismus findet sich auch in der nordischen Literatur
bei J. P. Jacobsen: "Niels Lyne", übers. v. Boeck p. 57.
b) Larvierter Masochismus. Fuss- und Schuhfetischisten.
An die Gruppe der Masochisten schliesst sich die der in ungemein zahlreichen Exemplaren auftretenden Fuss- und Schuhfetischisten an. Diese Gruppe bildet den Uebergang zu den Erscheinungen einer anderen selbständigen Perversion, eben des Fetischismus; sie steht aber dem Masochismus näher als jenem, weshalb sie hier eingereiht ist.
Unter Fetischisten (s. unten sub 3) verstehe ich Individuen, deren sexuelles Interesse sich ausschliesslich auf einen bestimmten Körperteil des Weibes, oder auch auf bestimmte Stücke der weiblichen Kleidung konzentriert.
Eine der häufigsten Formen dieses Fetischismus besteht darin, dass der Fuss oder Schuh des Weibes der Fetisch ist, welcher ausschliesslicher Gegenstand sexueller Empfindungen und Triebe wird.
Es ist nun höchst wahrscheinlich und ergibt sich aus der richtigen Aneinanderreihung der beobachteten Fälle, dass die meisten, vielleicht alle Fälle von Schuhfetischismus auf der Basis mehr oder minder bewusster masochistischer Selbstdemütigungstriebe beruhen.