Es kommen aber auch Fälle vor, in welchen passive Flagellation allein den ganzen Inhalt masochistischer Phantasien ausmacht, ohne dass andere Vorstellungen der Demütigung etc. auftreten, und ohne dass die eigentliche Natur dieses Ausdrucksmittels der Unterwerfung deutlich ins Bewusstsein tritt. Solche Fälle sind von denen des einfachen, reflektorischen Flagellantismus schwer zu unterscheiden. Die Ermittlung der primären Entstehung des Gelüstes, vor jeder Erfahrung reflektorische Wirkung (s. oben unter "erstens"), sichert hier allein die Differentialdiagnose, neben dem Umstande, dass es sich bei echten Masochisten gewöhnlich um bereits in jungen Jahren perverse Individuen handelt, und dass die Verwirklichung des Gelüstes meistens später unterbleibt oder Enttäuschung (s. oben unter "drittens") eintritt, da sich ja das Ganze hauptsächlich auf dem Gebiete der Phantasie abspielt.
Hier möge noch ein Fall von typischem Masochismus folgen, in welchem der gesamte Vorstellungskreis, wie er dieser Perversion eigentümlich ist, vollkommen ausgebildet erscheint. Dieser Fall, über welchen wieder eine eingehende Selbstschilderung des gesamten psychischen Zustands vorliegt, unterscheidet sich von jenem der Beobachtung 49 in der 11. Aufl. nur dadurch, dass auf eine Verwirklichung der perversen Phantasien hier ganz verzichtet wurde, und dass neben der bestehenden Perversion der Vita sexualis normale Reize so weit wirksam sind, dass nebenher geschlechtlicher Verkehr unter normalen Bedingungen möglich ist.
Beobachtung 57
. Ich bin 35 Jahre alt geistig und körperlich normal. In den weitesten Kreisen meiner Verwandten - in gerader wie in der Seitenlinie - ist mir kein Fall von psychischer Störung bekannt. Mein Vater, welcher bei meiner Geburt etwa 30 Jahre alt war, hatte, so viel ich weiss, eine Vorliebe für üppige und grosse Frauengestalten.