namentlich in seinem dritten, „Venus“ betitelten Teile stark sadistische Episoden (z.B. III, S. 223 ff.), die freilich durch den symbolistischen Zug des Ganzen eine Milderung erfahren. Daneben sei eines anderen novellistischen Werkes gedacht, des unter dem Deckmantel der Pseudonymität erschienenen Phantasieromans „Der letzte Mann“ von Eva. Es ist die Geschichte eines Übermenschen, der von der Höhe der errungenen Weltherrschaft durch die zuletzt sich aufbäumende stumpfe Masse in Vernichtung gestürzt wird. Es enthält eine Fülle blut- und wollusttriefender Schilderungen, die glorreich durch die Schlussszene gekrönt werden, in der das geflüchtete Übermenschenpaar nackt auf einer wüsten Inselklippe im Angesicht des Todes und der Verfolger und vor einem gestürzten Kruzifix die letzte Bejahung des Lebenswillens, den letzten Zeugungsakt ausführt und sich dann höhnisch triumphierend von dem steilen Felsvorsprung ins Meer hinabschwingt. Eine merkwürdige Apotheose! - Auf die (schon in der Darstellung de Sades näher gewürdigte) dem Sadismus überhaupt vielfach inhalierende Verkettung mit blasphemischen Vorstellungen, wie sie in den beiden zitierten Romanstellen übereinstimmend hervortritt, sei nur beiläufig verwiesen. In diese Kategorie fallen denn auch die neuerdings anscheinend wieder zu grösserer Beliebtheit gelangten Schilderungen von Besessenheit, Satansmysterien, schwarzen Messen u. dgl., wie wir sie nach dem Vorbilde von Barbey d’Aurevillys diaboliques u.a. in den novellistischen Erzählungen von Hanns Heinz Ewers („die Besessenen“; „der Zauberlehrling oder der Teufelsjäger“ usw.) und neuerdings sogar bei dem sonst zahmeren Artur Landsberger („Wie Hilde Simon mit Gott und dem Teufel kämpfte“) so ausgiebig finden.

Das Thema des Inzests zwischen Mutter und Sohn behandelt ein hysterisch-perverser Roman „mater dolorosa“1); den Inzest zwischen Bruder und Schwester haben zwei bis zur Selbstkarikatur überspannte Romanphantasien von Catulle Mendès und von Prczybyczewski zum Thema erkoren, denen sich neuerdings Kurt Münzer („der Weg nach Zion“) und der literarische Abgott Italiens, der grosse Phraseur und Poseur Gabriele d’Annunzio in seinem letzten Roman „forse che si - forse che no“ würdig anreihen; nicht minder auch der Russe Artzibaschew in seinem (weit über Gebühr gepriesenen) Ssanin.

Wie schon früher die unter dem Namen Rachilde tätige Schriftstellerin die - übrigens recht schwach ausgefallene - Entwickelungsgeschichte einer Sadistin, so haben neuerdings Poinsot und Normandy in dem bereits erwähnten Eoman „l’echelle“


1) L’auteur de „amitié amoureuse“ (Mad. Lecomte de Nouy) et Maurice de Waleffe, Mater dolorosa. 8. éd. Paris, Calman Lévy, 1902.

« 91 »

Inhaltsverzeichnis - bisam@daten-schlag.org