Gilles de Rais, eines Cenci - sind aus diesem Nährboden ursprünglich erwachsen. Jener de Sade des 15. Jahrhunderts, der nach einer grossen kriegerischen Laufbahn und nach zahllosen Schandtaten in seinem 36. Lebensjahre hingerichtete Marschall Gilles de Rais (1404 bis 1440) rühmt sich in hochmütiger Prahlerei selbst des Unerhörten und Niedagewesenen seiner Verbrechen: „il n’est personne sur la planète qui ose ainsi faire“ ruft er grössenwahnsinnig seinen Genossen zu. Aus ähnlichem Holze geschnitzt scheint - man hat neuerdings freilich eine Ehrenrettung versucht - jener Cenci gewesen zu sein, der Vater der vielbeklagten Beatrice, dessen Gestalt ein grosser Dichter, der zugleich ein grosser Seelenkündiger war, Shelley, in monumentalen Zügen vor uns hinzustellen gewusst hat. Aber auch bei de Sade selbst, auf dessen Leben und Werke wir noch einzugehen haben, findet sich an zahlreichen Stellen der Ausdruck dieses auf die Unerhörtheit der begangenen Frevel hochmütig pochenden und in dem Gefühle des Unübertroffenen schwelgenden Grössenwahns; Pläne zur Ausrottung ganzer Bevölkerungen, grosser Orte durch Trinkwasservergiftung, durch künstlich erzeugte Erdbeben usw., werden geschmiedet und hier und da in Szene gesetzt; dem Gotte, dessen Existenz doch auf jeder Seite geleugnet wird, wird das freche Hinwegsetzen über seine vermeintlichen Gebote mit triumphierendem Hohn entgegengeschleudert; man rehabilitiert ihn gewissermassen, um ihn zu beschimpfen. Manche der grauenhaftesten sadistischen Phänomene, Nekrophilie, Statuenschändung, alle die scheusslichen Praktiken des (neuerdings wieder in der französischen Literatur in Mode gekommenen) Satanismus haben ihre letzten Wurzeln, neben dem wollüstig mystischen Spiel mit dem Grauenhaften, wohl gerade in diesem hochmütigen Hinwegsetzen über alle Grenzen sittlicher und auch ästhetischer Scheu, in der triumphierenden Erniedrigung und Verhöhnung alles dessen, was dem pietätvollen Glauben als vorzugsweise geweiht, verehrungswürdig, als unnahbar und unantastbar gilt und seit jeher gegolten hat - in dem blasphemischen Gedanken, nicht bloss mit Menschen, sondern mit dem höchsten übermenschlichen Wesen aus der unbegrenzten Souveränität des eigenen Ich heraus den Kampf aufzunehmen und bis zur Vernichtung zu führen.

Dies alles hängt nun weiter - das springt namentlich bei gewissen fanatischen Theoretikern und Doktrinären des Sadismus, vor allem bei de Sade selbst, deutlich ins Auge - mit den aufs äusserste getriebenen Konsequenzen einer grob materialistischen, oder besser gesagt, mechanistischen Weltanschauung in der Wurzel zusammen. Bei de Sade sind es die niedrigsten, literarisch und auch moralisch geringwertigsten Vertreter des seichten Materialismus der

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