bau und Zerstörung im Universum, so erscheinen Zeugung und Vernichtung, Weltlust und Grausamkeit als entgegengesetzte, aber gerade deshalb sich gegenseitig fordernde, untrennbar zusammengehörige Pole des menschlichen Naturbedingtseins. Auf dem engeren erotischen Gebiete ist Grausamkeit in der Liebe, und Wollust in der Grausamkeit ein unmittelbar zugehöriges Moment, ein fast niemals ganz auszuscheidender Faktor. Das spiegelt sich schon in uralten mythologischen Vorstellungen und Kulten; erscheinen doch bei Indern und Chaldäern die Gottheiten der Liebe, der Zeugung und Wollust zugleich als Sinnbilder des Todes und der Vernichtung; es sei an den indischen Siwa-Kultus, an den babylonisch-assyrischen Kultus der Istar-Beltis (der griechischen Mylitta), an die Dienste der phönizischen Astarte, der ägyptischen Isis, an den vorderasiatischen Kybele-Kultus mit seinen Mysterien, mit den sich prostituierenden Hierodulen und den sich geisselnden und entmannenden Priestern (Gallen) erinnert. Die kyprische Liebesgöttin selbst geht aus einem Grausamkeitsakte hervor - das von seinem Sohn und Erben in der Herrschaft abgeschnittene Zeugungsglied des Kronos fällt ins Meer und befruchtet dieses zur Geburt Aphrodites. Ihre Nachahmer und Nachfolger finden die sich selbst entmannenden Gallen des Kybele-Dienstes in der (um 250) nach Origenes Vorbild auftauchenden ersten christlichen Sekte der „Kastraten“ (Valerianer) - der Vorläufer der noch jetzt florierenden russischen Skopzen. Auch bei manchen der heutigen Kulturvölker, z.B. gewissen südaustralischen Stämmen wird eine freiwillige Halbentmannung - eine Art künstlicher Hypospadie - als anscheinend religiöser Akt angegeben. Bei Weibern werden Infibulation, Ausschneidung der Clitoris, ja selbst der Brüste und Eierstöcke in gleicher Weise vielfach geübt; es sei nur an die Infibulation der abessinischen Mädchen, an die Clitoridektomie bei den Frauen der Joaros am oberen Amazonenstrom (nach Mantegazza), an die Ovariotomie bei Eingeborenen in Südaustralien und ebenfalls bei gewissen russischen Sekten erinnert.

Natürlich ist nicht jede grausame Handlung ohne weiteres ein sadistischer Akt. Sie wird dies vielmehr erst, wenn sie Wollust erweckt und wenn sie daher zum Zwecke der Wollusterregung (absichtlich oder unabsichtlich) gesucht und geübt wird.

Immerhin muss man schon hierbei sich gegenwärtig halten, dass, was wir unter „Wollust“ verstehen, eine zwar hauptsächlich, aber doch nicht ausschliesslich an die eigentlichen Sexualempfindungen gebundene, höchste und sublimierteste Lust ist; und wir müssen also auf die geheimnisvollen, in noch rätselhaften Veranlagungen unseres Nervenapparates wurzelnden ursprünglichen Verkettungen der

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