Insofern sich im Sadismus (in der Algolagnie überhaupt) krankhafte Erscheinungen des Seelenlebens manifestieren, gehört er als psycho-sexuale Abnormität den Gebieten der Psychopathologie und der Psychiatrie an. Insofern sich im Sadismus Antriebe und Gesinnungen enthüllen, die man wenigstens innerhalb unserer zivilisierten Kulturwelt übereingekommen ist als antisozial und daher antimoralisch zu stigmatisieren, und insofern die Gefühls- und Denkweise des Sadisten nur zu häufig in Handlungen gipfelt, die, den Charakter des Verbrecherischen an sich tragend, ihren Täter mit dem Strafgesetz in ernsten Konflikt bringen, gehört der Sadismus zugleich in den Bereich der sozialen Pathologie und der Kriminologie, und sein Träger wird zum unfreiwillig interessanten Studienobjekt kriminalistischer, kriminalanthropologischer und soziologischer Forschung. Schwierig, wenn nicht hoffnungslos muss es für den Augenblick noch erscheinen, die verschiedenen hier in Betracht kommenden Gesichtspunkte miteinander auszugleichen und zu verbinden. Am ersten dürfen wir auf ein Gelingen dieser Bestrebungen rechnen, wenn wir versuchen, den individual-psychologischen wie den tieferen anthropologischen und soziologischen Ursprüngen des Sadismus so weit wie möglich nachzugehen, und seine tiefdringenden Wurzeln in der menschlichen Natur, die Ursachen seines Wachstums in der gesellschaftlichen Organisation überhaupt oder in gewissen, innerhalb bestimmter Zeitperioden seuchenartig um sich greifenden Krankheitszuständen des Gesellschaftskörpers blosszulegen.
Leichter freilich, als diesen an erschreckenden Abgründen der menschlichen Natur hart vorbeiführenden Weg einzuschlagen, erscheint es, sich im Tone des Moraleiferers oder des plädierenden Staatsanwalts über Lasterhaftigkeit und Verderbtheit, über Korruption und Perversität des einzelnen oder gleich ganzer Zeitrichtungen und Gesellschaftsschichten sittlich zu entrüsten. Aber das alles sind doch leere Worte, und als Naturforscher, die wir Ärzte doch sein und bleiben wollen, haben wir die Pflicht und die Aufgabe, uns nicht so leichten Kaufes abspeisen zu lassen, sondern begreifen und verstehen zu wollen, d.h. die Dinge in ihren gegebenen Zusammen-