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Die Datenschlag-Chronik des Sadomasochismus
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11. März 1970
In den Niederlanden entsteht die Vereniging Studiegroep Sado-Masochisme (VSSM). Sie wendet sich an alle sexuellen Orientierungen.
2000 ist sie mit mehr als 600 Mitgliedern in allen größeren niederländischen Städten die größte SM-Vereinigung des Landes.
(Angaben der niederländischen SM-Gruppe VSSM unter www.vssm.nl)

In den 1970ern
In den USA und Europa werden Hunderte von schwulen Lederbars eröffnet und schwule Motorradclubs gegründet.
(DeB99)

Anfang 1971
In Deutschland erscheint die deutsche Ausgabe von "Flag-International", das Bildmagazin "Flag" zum monatliche Preis von DM 15,- (ca. 7,50 EUR). Nur ein Teil des Materials wird aus der englischsprachigen Ausgabe übernommen; Texte und Bilder deutschsprachiger Leser machen den Rest aus. Neben Fotos, Stories und pseudowissenschaftlichen Artikeln enthält das Heft Anzeigen (hauptsächlich ausländischer) Fetisch-Anbieter und private Kleinanzeigen.
Herausgeber der englischsprachigen Ausgabe ist die "Euroscript-Corporation Ltd., London", Chefredakteur Dr. John Neumann. Als Redaktion der deutschen Ausgabe ist der "gja-pressedienst" in München mit einer Postfachadresse angegeben. Vertrieben wird das Magazin von der Johannes M. Hönscheid Verlags-KG in München. Wann "Flag" wieder eingestellt wurde, ist uns derzeit unbekannt.
(Flag Nr. 3, Juli 1971)

10. Februar 1971
Die BPjS indiziert Guillaume Apollinaires "Elftausend Ruten".
(BPjS93, S. 4)

Februar 1971
In New York gründen Masochisten die erste bekannte SM-Gruppe in den USA, die Eulenspiegel Society (TES).
Bis 1975 erreicht sie eine Stärke von etwa 125 Mitgliedern.
(Spengler, Andreas "Sadomasochisten und ihre Subkulturen", Campus Verlag Frankfurt 1979, S. 59)
(Angaben der amerikanischen SM-Gruppe TES unter www.tes.org)

1971
Das Bundesverwaltungsgericht modifiziert den Grundsatz "Kunstschutz geht vor Jugendschutz" dahingehend, dass eine Schrift ein "bestimmtes Maß an künstlerischem Niveau" besitzen muss. "Dies beurteilt sich nicht allein nach ästhetischen Kriterien, sondern auch nach dem Gewicht, dass das Kunstwerk für die pluralistische Gesellschaft nach deren Vorstellungen über die Funktion der Kunst hat. Auch diese Entscheidung fällt in den Beurteilungsspielraum der Bundesprüfstelle."
Damit wird die BPjS de facto zur Kunstbehörde Deutschlands.
(SS95, S. 40)

1971
Die zweite, neubearbeitete und erweiterte Auflage von "Die Sexualität des Menschen. Handbuch der medizinischen Sexualforschung" erscheint. Als Herausgeber ist der zu diesem Zeitpunkt bereits verstorbene Hans Giese genannt.
Das Kapitel "Psychopathologie der Sexualität" stammt von Hans Bürger-Prinz und Hans Giese. Der Psychiater und Neurologe Bürger-Prinz war im Dritten Reich Beratender Psychiater des Wehrkreises X, später von 1936 bis 1965 Ordinarius für Psychiatrie an der Universitätsklinik Eppendorf. Man distanziert sich von den Begriffen "Psychopathia sexualis" und "sexuelle Fehlhaltung". Milde Ausprägungen des Sadomasochismus werden als Element jeder Sexualität beschrieben ("freilich nicht in den extremen Formen der Folterung, des Durchpeitschens und 'Herr-und-Sklave-Spiels'").
(Giese, Hans (Hrsg.) "Die Sexualität des Menschen. Handbuch der medizinischen Sexualforschung", 2. neubearbeitete und erweiterte Auflage, Ferdinand Enke Verlag Stuttgart 1971)
(Ebbinghaus, Angelika / Linne, Karsten (Hrsg.) "Kein abgeschlossenes Kapitel: Hamburg im 'Dritten Reich'", Europäische Verlagsanstalt, Hamburg 1997)

1971
Gene Bilbrew stirbt.
(Bie98, S. 110)

20. Oktober 1972
Die BPjS indiziert "Die Algophilie - Abstrafung und körperliche Züchtigung im heterosexuellen Partnerschaftsverhältnis im Hinblick auf die psychopathologische Symptomatik der Algophilie. Eine vergleichende kasuistische Untersuchung" von Friedrich Damaskow.
Die pseudowissenschaftliche Dokumentation erotischer Texte und Abbildungen aus der Zeit der Jahrhundertwende ist laut einer Warnung auf der letzten Seite "ausschließlich für Neurologen, Psychologen, Psychiater, Juristen, Pädagogen und ähnlich hoch qualifizierte Leser bestimmt. Es gehört auf keinen Fall in die Hände unreifer Jugendlicher und wird deshalb nur gegen Verpflichtungsschein an Erwachsene abgegeben."
(BPjS93, S. 3)
(Dam69)

Bis 1972
In allen größeren Städten Westeuropas etablieren sich schwule Lederbars: Als erste reine Lederbar in Deutschland die "Loreley-Bar" in Hamburg, die "S-Bahn-Quelle" in Berlin, die "Goldene 13" in Frankfurt am Main, "Gusti's Ochsengarten" in München, 'Argos' und 'Club LL' in Amsterdam, "La Balance" in Brüssel.
(Angaben der MS Panther Köln unter home.t-online.de/home/essip-np/panther.htm)

1972
Der schwule deutsche Regisseur Rosa von Praunheim erklärt: "Nicht der Schwule ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt".
Auch andere sexuelle Minderheiten übernehmen den Satz als Ausdruck ihrer Überzeugung, dass ihre Probleme nicht aus ihrer sexuellen Orientierung herrühren, sondern durch die Reaktionen der Gesellschaft bedingt sind.
(Lischke, Gottfried und Tramitz, Angelika "Weltgeschichte der Erotik. Teil 4", Knaur 1995, S. 323)

1972
Alex Comforts "Joy of Sex" erscheint.
In diesem Aufklärungsbuch, das sich nicht an eine Subkultur, sondern an die Allgemeinheit richtet, werden SM-Praktiken als etwas Selbstverständliches dargestellt. Spätere Aufklärungsbücher bleiben bis ins 21. Jahrhundert oft hinter diesem Ansatz zurück.
(Com72)
(Com76)

1972
Die US-Forscher R. Litman und C. Swearingen erwähnen erstmals in einer wissenschaftlichen Arbeit die Existenz einer Bondage-Subkultur in den USA.
Die Vorstellung, dass Sadomasochisten nicht einzelne, isolierte Kranke sind, bleibt der Wissenschaft noch bis in die achtziger Jahre des 20. Jahrhunderts hinein weitgehend fremd.
(LS72)

1972
In den USA erscheint das "Leatherman's Handbook" von Larry Townsend, das erste SM-Sicherheitshandbuch.
Die Veröffentlichung bricht mit der Abschottung der schwulen Old Guard. Deren starker Einfluss wird aber z.B. noch im Kapitel über Motorräder sichtbar. Townsend ist einer der ersten Autoren, die die Gebräuche und das Vokabular der homosexuellen SM-Subkultur dokumentieren.
(Tow72)

August 1973
In Hamburg findet das bis dahin größte schwule Ledertreffen mit etwa 470 Gästen in der "Loreley-Bar" statt.
(Epp77)

23. November 1973
Zweite Reform des §175 StGB in Deutschland: Das Schutzalter wird von 21 auf 18 Jahre herabgesetzt. Auch die homosexuelle Prostitution ist nicht mehr strafbar.
(hamburg.gay-web.de/chronik/brd2.shtml)

Dezember 1973
Die APA-Arbeitsgruppe zur Erstellung des neuen Diagnosehandbuchs (DSM-III) beschließt unter dem Druck schwuler Lobbyisten, Homosexualität aus der Liste der Geisteskrankheiten zu streichen. In einem Referendum unterstützen die APA-Mitglieder die umstrittene Entscheidung. Homosexuelle gelten formal nicht mehr als krank.
Der Schritt führt besonders unter Psychoanalytikern zu Protesten.
(Bal93)
(Sho97, S. 304)
(Noy97, S. 19)

1973
In der Schweiz entsteht die schwule SM-Gruppe Loge 70.
1997 hat sie etwa 140 Mitglieder.
(Schlagworte FEHLT Juli 1997)

1973
In Deutschland wird durch das 4. Strafrechtsreformgesetz die "einfache Pornographie" für Erwachsene freigegeben. § 184 Abs. 3 StGB verbietet allerdings Herstellung, Erwerb, Vertrieb, Handel und Verleih von "harter Pornographie", die Gewalttätigkeiten, sexuellen Missbrauch von Kindern oder sexuelle Handlungen von Menschen mit Tieren zum Gegenstand hat.
Kinderpornographie wird 1993 ausgegliedert und in den eigenen Absätzen 4 und 5 berücksichtigt.
(Sei97a, S.134ff.)

1973
In Deutschland wird der §131 Abs. 3 StGB verabschiedet, der bei Strafe jede mediale Schilderung von Aktionen gegen Menschen verbietet, "durch die das Grausame oder Unmenschliche des Vorgangs in einer die Menschenwürde verletzenden Weise dargestellt wird." Alle Medienprodukte, die von Gerichten solche als grausam oder unmenschlich eingestuften Gewaltdarstellungen enthalten, unterliegen einem Totalverbot und werden bundesweit beschlagnahmt und/oder eingezogen.
Diese Regelung hat für Verleger von SM- oder Fetischpublikationen eine erhebliche Rechtsunsicherheit zur Folge; viele Texte und insbesondere Abbildungen können nicht veröffentlicht werden, da das finanzielle Risiko einer Beschlagnahme für Verleger in aller Regel untragbar ist. In der Regel sind davon Darstellungen von Gewalt, die durch Männer und gegen Frauen ausgeübt wird, unverhältnismäßig stärker betroffen als homosexuelle Darstellungen oder solche, in denen die Gewalt von der Frau ausgeht.
(Sei97a)
(Persönliche Mitteilung Matthias T.J. Grimme, Schlagzeilen, ca. 2000.

1973
Der MSC Köln hat etwa 1000 Mitglieder.
(Angaben der MS Panther Köln unter home.t-online.de/home/essip-np/panther.htm)

Anfang 1974
Der deutsche Arzt Andreas Spengler beginnt die weltweit erste empirische Untersuchung der sadomasochistischen Subkultur auf der Grundlage soziologischer Untersuchungsmethoden.
(Spe79, S. 59)

Januar 1974
In London wird die schwule European Confederation of Motorcycle Clubs (ECMC) gegründet. Gründungsmitglieder sind vier englische Clubs sowie die Boys Cuir France, Loge 70 aus der Schweiz, MSC Amsterdam und MSC Belgium. Wenig später treten der MSC Hamburg, die Düsseldorfer Motorsportfreunde und MS Panther Köln bei.
Anfang 2000 umfasst die ECMC etwa 50 Gruppen und damit um die 6000 Einzelmitglieder.
(Angaben der MS Panther Köln unter home.t-online.de/home/essip-np/panther.htm)
(Private Mitteilung Siegfried/Wien)

August 1974
Cynthia Slater und Larry Olsen gründen in San Francisco die "Society of Janus".
In den ersten Jahren nehmen fast ausschließlich schwule Männer teil. 1976 hat Janus etwa 50 Mitglieder, davon 5 Frauen. Der Anteil der heterosexuellen Teilnehmer nimmt zu, während sich Schwule und Lesben gleichzeitig in eigene Gruppen zurückziehen. Mitte der 80er Jahre hat Janus etwa 250 fast ausschliesslich heterosexuelle Mitglieder.In den späten 80ern hat die Gruppe vermehrt mit inneren Streitigkeiten zu kämpfen, gewinnt aber in den 90ern nicht zuletzt durch das Internet neuen Schwung. Anfang 2000 hat Janus 700 Mitglieder.
(www.soj.org)

20. Oktober 1974
In Berlin entsteht auf Initiative von Jürgen Wittjen der schwule "MS Berlin" als Interessengemeinschaft und wird im November 1974 in "Motorsport-Club Berlin" (MSC) umbenannt.
("25 Jahre MSC Berlin", MSC Berlin 1999)

1974
In Deutschland entstehen die schwulen SM-Organisationen MSC Hamburg und MS Panther Köln.
(Angaben der MS Panther Köln unter home.t-online.de/home/essip-np/panther.htm)

1974
In seiner Untersuchung zum "Gewaltdarstellungsverbot und Grundgesetz" schreibt der Jurist Erwin Gerhardt: "die Strafvorschrift des § 131 StGB ist, weil das verfassungsrechtliche Gebot der Verhältnismäßigkeit nicht eingehalten wurde, ein unzulässiger Eingriff in die durch Artikel 5, Absatz 1 des Grundgesetzes verbürgte Presse-, Rundfunk-, Film- und Informationsfreiheit (...) Die bisherigen Erkenntnisse der Wirkungsforschung reichten nicht im entferntesten aus, die Unerlässlichkeit des § 131 StGB zu begründen."
(SS95, S. 40)

1974
Die dänische Fernsehjournalisten und Feministin Maria Marcus veröffentlicht ihre Lebensgeschichte, in der sie positiv über ihre sadomasochistischen Neigungen berichtet.
1982 erscheint das Buch im Rowohlt Verlag als "Die furchtbare Wahrheit: Frauen und Masochismus". In diesem Buch wird der "P-Wert" als Maß für die spezifische sadomasochistische Erregung zur Unterscheidung von der erotischen Wirkung eingeführt.
(Mar74a)
(Mar82)
(Lischke, Gottfried und Tramitz, Angelika "Weltgeschichte der Erotik. Teil 4", Knaur 1995, S. 353)

1974
Als Ergänzung zu seinen Gor-Romanen veröffentlicht John Norman das Sachbuch "Imaginative Sex", in dem er eine Gesellschaftsform mit männlichen Tops und weiblichen Bottoms propagiert.
(Nicholls, Peter "The Science Fiction Encyclopedia", Dolphin Books New York 1979, S. 430)

1974
Der Widder Press Verlag veröffentlicht eine deutsche Übersetzung von John Willies "Gwendoline"-Comics als "Die Abenteuer der Sweet Gwendoline".
Die BPjS indiziert diese Ausgabe am 29.7.1989.
(Rund, J.B. "Die Abenteuer der Sweet Gwendoline", Widder Press Frankfurt 1974)
(BPjS93, S. 41)

1974
Der französische Regisseur Just Jaeckin verfilmt die "Geschichte der O" mit Corinne Clery in der Hauptrolle.
Die englische Version ist seit 1974 verboten. 1975 gelangt die Verfilmung in die deutschen Kinos. Die deutsche Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK) befindet den Film für "Nicht jugend- und nicht feiertagsfrei". Der Film wird im Oktober 1982 von der BPjS indiziert. Auch das Video wird später durch die BPjS indiziert. Im FSK-Gutachten heisst es: "Das optisch und akustisch geschleckte sado-masochistische Machwerk könnte als lächerlicher Kitsch abgetan werden, läge ihm nicht eine sexualfaschistische Haltung zugrunde, die der Frau Existenzberechtigung nur als Lustobjekt des Mannes zubilligt." Die BPjS hält den Film für frauendiskriminierend, da er Frauen als Wesen darstellt, die "nur vom Sex besessen sind und sich jeder Brutalität beugen".
(S/M-Depesche April 1994)
(Deu98)

1974
Der Soziologe Erich Fromm beschreibt in seinem Buch "Anatomie der menschlichen Destruktivität" die gesellschaftlichen Ursachen für politische und soziale Gewalt und versucht, die "Destruktivität" des Faschismus zu analysieren, wobei er sich besonders mit dem von ihm so bezeichneten "Sadismus" von Heinrich Himmler (der frühere "Reichsführer SS") und Adolf Hitler beschäftigt. In Fromms Buch wird erstmalig eine von der Schauspielerin Renate Müller überlieferte Episode aus dem Jahre 1943 veröffentlicht:
"Sie war sicher gewesen, daß er Verkehr mit ihr haben würde; sie hatten sich beide ausgezogen und waren offensichtlich im Begriff ins Bett zu gehen, als er sich auf den Fußboden warf und sie aufforderte, ihn zu treten. Sie protestierte, aber er drang weiter in sie und nannte sich einen Unwürdigen, überhäufte sich mit Beschuldigungen und wand sich vor ihr in selbst-quälerischer Weise. Die Szene wurde ihr unerträglich, und so gab sie schließlich seinem Begehren nach und trat ihn mit den Füßen. Das erregte ihn sehr, und er bat um mehr und mehr, wobei er ständig sagte, sogar das sei besser, als er es verdiene, und er sei es nicht wert, mit ihr im gleichen Zimmer zu sein. Je mehr sie ihn trat, umso erregter wurde er."
Wie zuverlässig diese Überlieferung ist, ist unklar - Hitler werden nicht selten allerhand sexuelle Ungewöhnlichkeiten angedichtet.
Fromm, Erich, "Anatomie der menschlichen Destruktivität", Stuttgart, Deutsche Verlags-Anstalt, 1974, vermutlich S. 463)

1974-1978
Der amerikanische Maler Robert Blue beschäftigt sich praktisch als erster Künstler mit Bettie Page und fertigt zehn Ölbilder auf der Grundlage von Klaws Fotos an.
Als ihm aus dubioser Quelle mitgeteilt wird, dass Page gegen die Bilder ist, bricht er die Serie zunächst ab. 1993 lässt die wieder aufgetauchte Bettie Page Robert Blue wissen, dass sie niemals etwas gegen seine Gemälde von ihr gehabt hat und bittet ihn, mit der Malerei fortzufahren. Blue nimmt die Arbeit an 15 weiteren Gemälden auf. Blues Bilder machen ihn zu einer Berühmtheit und fördern den Page-Kult. 1985 wird auf Grundlage seiner Arbeit der Film "Heartbreakers" gedreht.
(Swanson, James "Bettie Blue" in "Skin Two" London, Nr. 16 1995, S. 70)

Ostern 1975
Der MSC Berlin veranstaltet sein erstes Ledertreffen.
Diese Treffen finden seitdem jährlich statt und haben jeweils eigene Namen. 1976 nehmen knapp 600 Männer teil, 1977 etwa 1000.
("25 Jahre MSC Berlin", MSC Berlin 1999)

1. Juli 1975
Im Versandhandel der Schweizer "Loge 70" wird SM-Pornographie beschlagnahmt. Kunden werden ebenfalls aufgesucht, gefundenes Material beschlagnahmt.
(hamburg.gay-web.de/chronik/brd2.shtml)

1975
Der Regisseur Pier Paolo Pasolini vollendet den Film "Saló oder Die 120 Tage von Sodom" nach dem Vorbild des Romans von de Sade als Parabel auf den Faschismus.
1976 wird der Film verboten und erst 1978 durch ein BGH-Urteil, das in diesem Fall den Kunstvorbehalt Art. 5 GG als höchstes Rechtsgut einstuft, freigegeben. Das Video wird am 26.6.1987 durch die BPjS indiziert.
(Lischke, Gottfried und Tramitz, Angelika "Weltgeschichte der Erotik. Teil 4", Knaur 1995, S. 353)
(SS95, S. 35)
("BPjS aktuell", Amtliches Mitteilungsblatt der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften, 1/2001, S. 25)

1975
In Frankreich bringt Regisseur Eric Lippmann den Film "Les onze mille vierges" (dt. "11.000 Ruten") nach dem Vorbild des (in Deutschland indizierten) Romans von Guillaume Apollinaire heraus.
(Lexikon des Internationalen Films, Rowohlt Verlag 1995)

1975
Der MSC Berlin beginnt mit der Herausgabe der Club-Info "Unter uns gesagt", die mit Unterbrechungen bis heute (Stand März 2000) erscheint.
("25 Jahre MSC Berlin", MSC Berlin 1999)

1976
Die Heavy-Metal-Gruppe "Strapps" bringt eine LP bei Harvest Records mit dem gleichen Namen heraus, auf deren Cover eine Szene aus John Willies "Sweet Gwendoline" exakt nachgestellt ist.
Auch die Texte sollen SM-Bezug haben.
(Dean, Roger und Howells, David "The 2nd Book of Record Sleeves" A&W Visual Library New York, 1982)

1976
Auf der Berlinale wird der Film "Im Reich der Sinne" von Nagisa Oshima als Gewaltpornografie von der Berliner Staatsanwaltschaft beschlagnahmt. Das Ermittlungsverfahren gegen den Leiter des Forums wird zwar bald darauf eingestellt, der Film gelangt in den westdeutschen Verleih, aber die Aufführung im Internationalen Forum wird durch den Polizeieinsatz verhindert.
Der Film enthält diverse sadomasochistische Szenen.
(Spiegel 1/1988, S. 122)

1976
Mehrere Staatsanwälte lassen in deutschen Kinos Kopien von Pier Paolo Pasolinis Sade-Verfilmung "Saló oder die 120 Tage von Sodom" beschlagnahmen. Der Vorwurf lautet auf Gewaltpornografie (siehe auch Eintrag dazu unter 1975).
(Spiegel 1/1988, S. 122)

1977
Spengler veröffentlicht eine englischsprachige Kurzversion seiner Untersuchung als "Manifest Sadomasochism of Males: Results of an Empirical Study" in einer Fachzeitschrift. Erstmals seit Krafft-Ebing werden Sadomasochisten nicht als isolierte Kranke beschrieben, sondern als Mitglieder einer komplexen Subkultur mit ausgeprägten sozialen Fähigkeiten. Für die bislang angenommenen geistigen Schäden bei Sadomasochisten kann Spengler keine Hinweise finden.
Die Studie revolutioniert die SM-Forschung, wird allerdings von Psychoanalytikern ignoriert. Da Spengler fast ausschließlich die schwule Subkultur untersucht, findet er keinen Grund, an der bisherigen Lehrmeinung zu zweifeln, dass es keine Sadomasochistinnen gibt. Dieser Glaube hält sich in der Forschung teilweise bis zum Ende des 20. Jahrhunderts.
(Spe77)

1977
Die "Geschichte der O" erscheint in deutscher Übersetzung im Rowohlt-Verlag. Auf dem Cover ist eine Szene aus der Verfilmung von Jaeckin zu sehen.
Diese Übersetzung findet die zunächst weiteste Verbreitung, bis sie von der BPjS im September 1982 indiziert wird.
(Stu98)

1977
Die Franzosen Philippe Fichot und Eliane P. gründen die Musikgruppe "Die Form" auf der Grundlage eines SM-Live Acts. Die zunächst nur als Hintergrund für SM-Performances gedachte Musik wird Mitte der 1990er zum Selbstzweck, auch wenn der SM-Bezug eindeutig bestehen bleibt. Fichot betätigt sich auch als Fotograf.
(Kuhnle, Volkmar "Gothic Lexikon. The Cure, Bauhaus & Co: Das große Nachschlagewerk zur Gothic-Szene", Lexikon Imprint Verlag Berlin 1999, S. 103-105)

1977
Der "Stiefel" (stadt.gay-web.de/skvdc/stiefel/), eine Zeitschrift mit Clubnachrichten der deutschsprachigen schwulen Lederclubs, erscheint viermal jährlich. Die Redaktion wird in den folgenden Jahren von wechselnden Lederclubs übernommen.
(Angaben der MS Panther Köln unter home.t-online.de/home/essip-np/panther.htm)

1977
Im Suhrkamp Verlag erscheint "Der Ledermann spricht mit Hubert Fichte", eine Sammlung von Interviews, die der deutsche Autor Hubert Fichte mit dem Journalisten und homosexuellen Sadomasochisten Hans Eppendorfer führt.
Hans Eppendorfer war vor allem dadurch bekannt geworden, dass er im Alter von 17 Jahren eine Frau ermordet und in der Folge zehn Jahre in Einzelhaft gesessen hatte. Fichtes Fragen drehen sich zentral um den Zusammenhang zwischen Eppendorfers Mord und seinen sadomasochistischen Neigungen sowie um die von ihm vermutete Gebräuchlichkeit extremer, nonkonsensueller Körperverletzungen in der schwulen SM-Subkultur. Eppendorfer kolportiert bereitwillig diverse Gerüchte über Todesfälle und Verstümmelungen in der SM-Subkultur. Da es damals kaum andere Möglichkeiten gab, Einblick in die schwule Lederszene zu erhalten, dürfte diese Mischung aus Sensationslust, Desinformation und populärpsychologischen Deutungsversuchen - noch dazu in einem seriösen Verlag - die Vorurteile Sadomasochisten gegenüber weiter verstärkt haben.
(Epp77)

13. Juni 1978
Pat Califia, Gayle Rubin und 16 andere lesbische Sadomasochistinnen gründen in San Francisco die erste bekannte SM-Gruppe für Lesben. Sie wird beim zweiten Treffen der Gruppe am 10. Juli 1978 Samois getauft, nach einem Ort in der "Geschichte der O".
(SAM87)

1978
Der MSC Berlin wird ein eingetragener Verein. Da der Vereinsname im Vereinsregister bereits vergeben ist, kommt es zur Änderung in "Motorsport und Contacte Berlin e.V.".
("25 Jahre MSC Berlin", MSC Berlin 1999)

1978
Die Society of Janus und Samois treten zum ersten Mal bei der Gay Freedom Day Parade in San Francisco in Erscheinung. Dort werden sie sowohl von anderen Lesben als auch von Zuschauern beschimpft und angespuckt.
Kämpfe zwischen Samois und der radikalfeministischen US-Gruppe Women Against Violence and Pornography in the Media (WAVPM) dauern jahrelang ungebrochen an.
(Cal87)

1978
Der amerikanische Sexualwissenschaftler Thomas S. Weinberg veröffentlicht eine Untersuchung über die "soziologische Perspektive" des Sadomasochismus.
(Wei78)

18. Januar 1979
Samois hält erstmals eine öffentliche Rede.
(SAM87)

März 1979
Der US-Musiker Frank Zappa bringt das Album "Sheik Yerbouti" mit dem Song "Bobby Brown" heraus. "Eventually me and a friend / sorta drifted along into S&M" heißt es darin. Erwähnt werden ein Folterstuhl mit einem hochschraubbaren Analdildo (der "Tower of Power") und Urinspiele ("Golden Shower").
Die Bedeutung dieser Begriffe ist deutschen Radiomoderatoren offenbar unbekannt: Sonst eher zensurfreudige öffentlich-rechtliche Rundfunksender spielen das Lied bis ins 21. Jahrhundert hinein zu jeder Tages- und Nachtzeit.
(Zappa-Interview der schwedische Rundfunksendung "Nightflite" um etwa 1980, home.swipnet.se/bengt-jonsson/zappaint.htm)

1979
Im Rowohlt Verlag erscheint "Neun Wochen und drei Tage", die deutsche Übersetzung des 1978 in den USA veröffentlichten Romans "Nine and a Half Weeks. A Memoir of a Love Affair" von Elizabeth McNeill.
Die BPjS indiziert die Übersetzung am 11. Juni 1985. Zur Begründung heißt es, beim Sadomasochismus handele es sich um eine pathologische, perverse oder deviante Form der Sexualität, die im Buch als akzeptable sexuelle Spielart dargestellt werde. "Das skizzierte Frauenbild entspricht in keiner Weise dem sexuellen Empfinden von Frauen, es entspringt vielmehr der männlichen Phantasiewelt, auch wenn der Autor eine Frau sein soll."
(McN83)
(McN99)

1979
Spengler veröffentlicht in Buchform eine ausführliche deutschsprachige Beschreibung seiner Studie als "Sadomasochisten und ihre Subkulturen".
(Spe79)

1979
Die schwulen SM-Gruppen gründen die Ständige Konferenz der Vertreter deutschsprachiger Clubs (SKVdC). Mitglieder sind damals Loge 70, MSC Hamburg, MSC Berlin, MSC Hannover, MSC Rhein-Main, LC Stuttgart, MLC München, Black Angels Köln, Rurals und MS Panther Köln.
2000 sind 23 Gruppen und damit etwa 1800 Ledermänner Mitglieder der SKVdC.
(QUELLE FEHLT)
(stadt.gay-web.de/skvdc/skvdc.htm)
(Siegessäule April 2000, S. 81)

1979
In Chicago wird erstmals der schwule International Mr. Leather Contest ausgetragen. David Kloss, Durk Dehner und Jesse Capello (alle USA) belegen die ersten drei Plätze.
(www.imrl.com)

1979
In den Niederlanden entsteht die Werkgroep Vrouwen en SM (Arbeitsgruppe Frauen und SM). Sie organisiert Gesprächsgruppen über sexuelle Phantasien, SM-Spielabende für Frauen, Lesungen und Videoabende und gibt eine SM-Literaturliste heraus.
Bis wann diese Gruppe existiert hat, wissen wir nicht.
(Par89)


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